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Zollvertrag öffnete das Tor zur Welt

Vor 100 Jahren, am 29. März 1923, unterzeichneten die Schweiz und Liechtenstein den Zollvertrag. Das Fürstentum trat damit dem Schweizer Wirtschaftsraum bei. Der Vertrag wurde für den Kleinststaat zum «Tor zur Welt».

Auch Coop-Tochter Hilcona hat ihren Standort im liechtensteinischen Schaan. (zVg)

Die Initiative für den Anschluss Liechtensteins an das Schweizer Zollgebiet ging vom Fürstentum aus und war aus der Not geboren. Durch die enge Anbindung an Österreich war der Kleinstaat von den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges wirtschaftlich hart getroffen worden. 1919 wandte sich Liechtenstein von Österreich ab und bemühte sich um Anschluss an das Zollgebiet der Schweiz. Im März 1923 wurde der Zollvertrag unterzeichnet, Anfang 1924 trat er in Kraft.
Grosse Auswirkungen
Die Auswirkungen des Vertrags waren weit grösser, als es der Name vermuten lässt: Liechtenstein wurde damit an den schweizerischen Wirtschaftsraum angeschlossen. Die Zollgrenze zwischen den beiden Ländern entlang des Rheins wurde aufgehoben, die liechtensteinische Grenze zu Österreich wurde zur neuen Aussengrenze des Schweizer Zollgebiets.
Von der Schweiz mit Drittstaaten abgeschlossene Handels- und Zollverträge galten fortan automatisch auch für Liechtenstein. Das viertkleinste Land Europas mit damals weniger als 12›000 Einwohnern wurde über die schweizerische Aussenhandelspolitik in die Weltwirtschaft eingebunden.
«Mit dem Zollvertrag hat sich für uns das Tor zur Welt geöffnet», resümierte Regierungschef-Stellvertreterin Sabine Monauni die Bedeutung des Zollvertrags im Vorfeld des Jubiläums gegenüber Medien.
Eingeschränkte Souveränität
Ohne schmerzhafte Eingeständnisse waren die Zoll- und Wirtschaftsunion mit der Schweiz und ein Anschluss an die Welt allerdings nicht zu haben. Das Fürstentum verzichtete mit dem Zollvertrag auf einen Teil seiner aussenpolitischen Souveränität. Und es verpflichtete sich, sämtliche schweizerischen Gesetze rund um das Zollwesen zu übernehmen. Erst Jahrzehnte später emanzipierte sich Liechtenstein aussenpolitisch von der Eidgenossenschaft. 1991 trat es als selbständiges Mitglied der EFTA bei, 1995 dem Europäischen Wirtschaftsraum EWR. Der Zollvertrag wurde dazu angepasst und stärkte die Selbständigkeit des Fürstentums in der Aussenpolitik.
Die liechtensteinische Volkswirtschaft profitierte nicht nur von den internationalen Abkommen und Bündnissen der Schweiz, sondern laut der Landesregierung auch «sehr stark von den offenen Grenzen für Rohstoffe, Waren und Menschen». Die Regierung sieht im Zollvertrag zwar nicht den einzigen Grund für das enorme Wirtschaftswachstum der Nachkriegszeit, aber doch die Basis, auf der sich andere Wirtschaftsfaktoren positiv entfalten konnten. «Mit dem Abschluss des Abkommens vor 100 Jahren wurden Rahmenbedingungen geschaffen, die dazu beitrugen, dass sich Liechtenstein zu einem prosperierenden Wirtschaftsstandort entwickeln konnte», lautet das Fazit von Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein in der offiziellen Schrift zum runden Jubiläum.
Wachstumsmotor des Rheintals
«Der Wirtschaftsstandort Liechtenstein ist zu einem Wachstumsmotor des gesamten Rheintals geworden», schreibt die Regierung des ehemals darnieder liegenden Kleinstaates selbstbewusst in der Jubiläumsschrift. Mit mittlerweile 39’000 Einwohnern weist dieser praktisch gleich viele Arbeitsplätze wie Einwohner auf. Etwa die Hälfte aller Arbeitsstellen sind mit Grenzgängerinnen und Grenzgängern besetzt. Tagtäglich fahren mehrere tausend Personen aus der Schweiz zur Arbeit in das kleine wohlhabende Nachbarland. Zudem führte die Öffnung der Grenzen am Rhein zu einer engen Zusammenarbeit über praktisch alle Lebensbereiche. Der Zollvertrag war der Grundstein für über 100 weitere Vereinbarungen zwischen den beiden Staaten.
Die Schweiz hatte 1923 Jahren zwar nicht gänzlich ohne Eigeninteressen gehandelt, war die Zollunion aber durchaus mit dem Motiv eingegangen, dem Nachbar in der Not zu helfen. Dessen wirtschaftlicher Aufschwung gereicht nun auch der Eidgenossenschaft zum Vorteil. «Die Schweizer Grenzregionen, wo einst vor einem Anstieg des Schmugglerwesens gewarnt wurde, profitieren seit Langem von einer prosperierenden Nachbarschaft», schreibt dazu Bundespräsident Alain Berset im Vorwort zur Jubiläumsschrift.

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