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«Wir wollen wettbewerbsfähig sein»

Der Brexit und die politischen Turbulenzen der letzten Jahre haben bei den britischen Farmern Spuren hinterlassen. Doch sie schauen in die Zukunft - mit dem festen Willen, Nachhaltigkeit und eine produktive Landwirtschaft zu vereinbaren.

Britische Farmer sind auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit - auch dank Gentechnik: David Exwood, Vizepräsident des britischen Bauernverbandes NFU.

Wie geht es der britischen Landwirtschaft nach dem Brexit? Um diese Frage ging es am Herbstanlass der Interessengemeinschaft Agrarstandort Schweiz IGAS, der am 6. September auf dem Gurten stattfand.
Die letzten Jahre seien für die britischen Farmer – und nicht nur für sie – unglaublich anspruchsvoll und ermüdend gewesen, gab David Exwood, der Vizepräsident des britischen Bauernverbandes National Farmers Union (NFU), unumwunden zu. Die Umsetzung des Brexit, die Covid-Pandemie und der Ukraine-Krieg hätten zu Verwerfungen auf den Märkten und in der Politik gesorgt, die man nie für möglich gehalten hätte.
Rekordhohe Inflation
Wirtschaftlich ist es vor allem die Inflation, die den Konsumenten, aber auch den Farmern zu schaffen macht. Die britischen Lebensmittelpreise lagen im März knapp 20 Prozent über dem Vorjahr, im Juli lagen sie immer noch bei 15 Prozent – Werte, die in keinem anderen westlichen Industrieland erreicht werden. Besonders teuer sind Brot, Getreideprodukte und Milchprodukte. Für die Bauern sind die Produktionskosten stark angestiegen, insbesondere für Strom, Treibstoffe und Dünger. Im Vergleich zu 2019 sind die Produktionskosten um 44 Prozent gestiegen, wie Exwood sagte.
Die britischen Lebensmittelexporte haben unter dem Brexit gelitten, sie erholen sich wertmässig wieder, liegen aber mengenmässig immer noch 20 Prozent unter den Werten von 2019, vor allem die Exporte von Fleisch, Milchprodukten und Gemüse gingen zurück. Die Importe stiegen wertmässig seit 2019 um über 16 Prozent an, die Handelsbilanz ist noch stärker ins Negative gekippt, als sie es vorher schon war. Das hängt auch damit zusammen, dass die EU ab Tag Eins des Brexits Grenzkontrollen eingeführt hat - Grossbritannien die Einführung der gleichen Kontrollen aber immer wieder verschiebt. Und damit, dass die Regierung von Boris Johnson in den Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland namhafte Konzessionen beim Fleisch gewährte.
Unsichere Direktzahlungen
2017 hatte die Regierung angekündigt, dass die Direktzahlungen, die unter der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU an die Landwirtschaft gingen, von 2021 bis 2027 kontinuierlich zurückgefahren werden und die Farmer sich an ein neues System anpassen können. Bloss: An welches System? Die Regierung sei zwar daran, neue Stützungen zu erarbeiten, aber die verwirrende Vielfalt von Programmen und Plänen verunsichere die Farmer, sagte Exwood. Es gebe eine berechtigte Furcht, dass die Direktzahlungen und die Einkommen nach den nächsten Parlamentswahlen 2024 stark unter das GAP-Niveau sinken könnte - trotz Versprechen der Regierung, das Niveau von jährlich 2,4 Milliarden Pfund halten.
Gravierend ist der Arbeitskräftemangel. Der britische Gemüsesektor etwa braucht rund 40000 permanente und 70000 saisonale Arbeitskräfte. In den letzten Jahren lag die Zahl der Arbeitskräfte weit darunter, die Gemüseproduzenten mussten ihre geplanten Produktionsmengen teilweise stark reduzierten. Der Arbeitskräftemangel hat zu Investitionen in die Automatisierung geführt, am sichtbarsten ist es gemäss Exwood bei den Melkrobotern. Allerdings hat die Automatisierung wiederum höhere Energiekosten zur Folge. Auch im Gemüsesektor gebe es Bestrebungen zur Automatisierung, derzeit komme man aber nicht an manuellen und personalintensiven Erntearbeiten vorbei.
Gentechnik: Ja, bitte!
Der Austritt aus der EU gibt Grossbritannien die Möglichkeit, das Thema Gentechnik eigenständig voranzutreiben. Die NFU unterstütze schon lange, dass Zuchtmethoden weiterentwickelt und für eine moderne Landwirtschaft zur Verfügung gestellt würden, sagte Exwood. Der «Precision Breeding Act», das entsprechende Gesetz, trat im Frühjahr 2023 in Kraft. «Biotechnologie ist bei weitem kein Wundermittel», sagte Exwood, aber zielgerichtete Zuchtmethoden könnten eine klimafreundliche Lebensmittelproduktion stark unterstützen.
Und eine solche ist geplant: Die Regierung hat den Farmern den «Environment Act», ein Umweltgesetz mit Zähnen, beschert, und das ambitionierte Ziel «CO2-neutral bis 2040». Exwood zeigte sich in Bern zuversichtlich, dass man dies erreichen könne. «Wir wollen wettbewerbsfähig sein», dazu gehöre künftig automatisch auch die Nachhaltigkeit. Es ist aber nicht so, dass die NFU sich im politischen Prozess nicht auch gegen die Klimapläne der Regierung gewehrt hat.
Farmer als Preisnehmer
Für schweizerische Ohren sehr vertraut tönten schliesslich die Klagen über die Marktmacht der Verarbeiter und Detailhändler. Neun Supermarktketten würden in Grossbritannien über 90 Prozent des Marktes abdecken, wachsende Discounter wie Aldi und Lidl hätten den Preiskampf angeheizt, sagte Exwood. Dieser Preiskampf wirke sich auch auf die Verarbeiter und Farmer aus. In der Fleisch- und Milchverarbeitung habe es eine Konzentration gegeben, manche Farmer seien von einem einzigen Abnehmer abhängig. «Das führt dazu, dass die Farmer häufig nur noch Preisnehmer sind», sagte Exwood.
Exwood verhehlte nicht, dass manche britische Farmer unter den schwierigen Rahmenbedingungen ächzen und wenig Positives sehen. Die junge Generation sei da furchtloser. «Mein Sohn managt den Betrieb praktisch über sein Handy», sagte Exwood. «Gib ein Problem den Jungen, und sie lösen es.»
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Gespräche über Freihandel
Die Schweiz und Grossbritannien haben im Mai 2023 Gespräche über ein Freihandelsabkommen begonnen. Bundesrat Guy Parmelin bezeichnete es als «eine einmalige Gelegenheit», die Handelsbeziehungen zu vertiefen. Der Anstoss kommt aber von Grossbritannien, das sich nach dem Brexit um Freihandelsbeziehungen abseits der EU bemüht. Grossbritannien liefert Agrarprodukte im Wert von 6,2 Mrd. Franken in die Schweiz, Zollreduktionen erhofft es sich bei Fleisch, Backwaren oder Schokolade.

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