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«Wir arbeiten zur Zeit nicht vollständig kostendeckend»

Vor gut einem Jahr brachten Coop und Emmi eine Bio-Milch in Mehrwegglasflaschen auf den Markt, nun wird das Angebot ausgebaut. Sara Hesseling von Emmi und Darko Stojanovic von Coop sprechen über undichte Schlauchbeutel, Kundenakzeptanz und wieso die «Mehrwegmilch» trotz Skalierung nicht günstiger wird.

Sara Hesseling ist bei Emmi verantwortlich für die zuständig für die Eigenmarken für die Detailhandelhandelspartner. (zVg)

Im November 2022 hat Coop zusammen mit Emmi eine Bio-Vollmilch in einer Mehrwegglasflasche auf den Markt gebracht. Das sorgte schweizweit für Schlagzeilen. Wie kam es zu diesem Projekt?
Sara Hesseling: Nach einem Austausch zwischen unserem damaligen CEO Urs Riedener und Philipp Wyss, CEO von Coop, begannen wir, erste Abklärungen zu Potenzial und Machbarkeit einer Mehrwegglasflasche zu machen. Bereits nach kurzer Recherche war klar, dass wir damit viel bewirken können und unsere Mitarbeitende mit Freude an diesem herausfordernden Projekt arbeiten werden. Wir setzten alles daran, das Mehrwegsystem zu realisieren und damit war der Grundstein für die erfolgreiche Umsetzung der Idee gelegt.
Darko Stojanovic: Auf der Suche nach einer Differenzierung und einem Mehrwert im Segment Milch stach uns etwa das breite Mehrwegglas-Sortiment in Österreich und Deutschland ins Auge. Unser CEO Philipp Wyss hat unser gemeinsames Projekt stark unterstützt und vorangetrieben. Milch im Mehrwegglas zahlt auf die Nachhaltigkeitsziele von Emmi und Coop ein.
Wieso eigentlich Mehrwegglas? Schlauchbeutel wären ja noch nachhaltiger.
Hesseling: Ein Milchbeutel ist tatsächlich die nachhaltigste Verpackung, aber nur dann, wenn er von einer modernen Abfüllanlage mit neuster Technologie abgefüllt wird. Denn ältere Maschinen sind fehleranfälliger und es kommt häufiger zu undichten Beuteln, was zu einem höheren Food Waste in der Produktion und bei den Konsumentinnnen und Konsumenten führt. Zudem haben Beutel Nachteile im Handling wie Wiederverschliessbarkeit oder Restentleerung. Dies belegen auch die stagnierenden Verkaufszahlen dieser Produkte. Die einzige Abfüllanlage für Milchbeutel in der Schweiz bei Emmi stellen wir ein, da diese nun am Ende ihres Lebenszyklus ist. Entsprechend gibt es keine Milch im Beutel mehr in der Schweiz zu kaufen. Bei den Glasflaschen stellen sich diese Probleme hinsichtlich Food Waste, Wiederverschliessbarkeit und Restentleerung nicht.
Was waren die Herausforderungen beim Projekt?
Hesseling: Aufgrund des Russisch-Ukrainischen Krieges und der gestiegenen Energiekosten wussten wir bis kurz vor Einführung nicht, ob wir genügend Glas für die Mehrwegflaschen beschaffen können. Auch die Glasreinigung war herausfordernd, da Milcheiweiss ein Allergen ist und die Flaschen getrennt von milchfreien Produkten gewaschen werden müssen. Zum Glück fanden wir mit Getränke Lussi in Stans einen passenden Partner, der uns mit Herzblut unterstützt. Dasselbe gilt für unsere Molkerei Frenkendorf, wo die Milchflaschen in der Testphase unter sterilen Bedingungen tatsächlich von Hand abgefüllt und beklebt werden.
Stojanovic: Zusammen mit Emmi haben wir im Frischebereich ein Mehrwegsystem aufgebaut. Das erforderte bei uns Schulungen sowohl in der Logistik als auch im Verkauf. Am wichtigsten war es, die Konsumentinnen und Konsumenten darüber zu informieren, wie wichtig die Rückgabe der Flaschen ist, damit der Kreislauf geschlossen werden kann. Die gute Rücklaufquote zeigt uns, dass uns dies gut gelungen ist.
Machten Sie Marktforschung, um herauszufinden, ob die Konsumentinnen und Konsumenten das überhaupt wollen?
Stojanovic: Deutsche und österreichische Marktdaten haben gezeigt, dass eine Nachfrage für Mehrwegglas besteht. Wir tauschten uns mit Spar Österreich aus, die grosse Erfahrung mit Molkereiprodukten im Mehrwegglas haben. Da im Vergleich zum Ausland hierzulande die Infrastruktur für ein Mehrwegglassystem nicht vorhanden war, bestand das Risiko, dass der Kreislauf nicht funktioniert. In der Testphase haben wir festgestellt, dass die Konsumentinnen und Konsumenten affin sind für nachhaltige Verpackungen.
Und was ist die Bilanz nach einem Jahr: Wird die Milch in der Glasflasche gekauft?
Stojanovic: Wir erhalten sehr gute Kundenfeedbacks und sehr gute Bewertungen. Mit den Abverkäufen sind wir sehr zufrieden. Die Milch im Mehrwegglas wird rege nachgefragt, was uns sehr freut.
Glasflaschen sind zerbrechlich. Haben Sie grosse Verluste? Und kommen die Flaschen tatsächlich zurück?
Hesseling: Seit anfangs Jahr bringen wir kaum neue Glasflaschen in den Kreislauf. Die Flaschen kommen also tatsächlich zurück. Auch verzeichnen wir mit weniger als einem Prozent Bruchglas sehr geringe Verluste.
Bislang war das Angebot auf die Region Nordwestschweiz-Zentralschweiz-Zürich beschränkt. Nun bringt Coop das Angebot auch in andere Regionen.
Stojanovic: Per Oktober 2023 weiten wir das Angebot auf die Verkaufsregion Bern aus. 85 Verkaufsstellen werden dort die Milch im Glas anbieten. Zudem wird in der Verkaufsregion Nordwestschweiz-Zentralschweiz-Zürich die Anzahl belieferter Verkaufsstellen auf über 200 verdoppelt. Im kommenden Jahr wird schliesslich auch die Verkaufsregion Ostschweiz-Tessin mit der Milch im Glas beliefert.
Damit ein Mehrwegsystem Sinn macht, müssen die Transportwege kurz sein, nämlich unter 230 Kilometer. Steht das einer nationalen Einführung nicht im Wege?
Stojanovic: Die Schweiz ist ein kleines Land mit sehr guter Infrastruktur. So können die Transportwege kurzgehalten werden. Entsprechend ist der Anteil des Transportweges am ökologischen Fussabdruck kleiner als im Ausland. Zudem wird die Milch im Glas zusammen mit anderen Frischprodukten transportiert. Damit werden bestehende Transportwege genutzt. Unser Fokus zur weiteren Verbesserung der Nachhaltigkeit liegt auf der weiteren Erhöhung der Rücklaufquote. Je öfters ein Glas wieder befüllt werden kann, desto besser.
Die Bio-Milch im Mehrwegglas kostet 50 Rappen mehr als eine Bio-Milch im Tetrapack, hinzu kommt ein Pfand von 30 Rappen. Bisher werden die Flaschen von Hand abgefüllt, neu passiert die Abfüllung halbautomatisch. Sinken damit auch die Preise?
Hesseling: Leider ist das noch nicht der Fall. Die Beschaffungskosten für Glas und die Aufwände für den Kreislauf wie die Rücknahme und das Waschen sind immer noch sehr hoch. Sowohl Coop als auch Emmi arbeiten zur Zeit nicht vollständig kostendeckend.
Was sind Ihre Erfahrungen nach einem Jahr? Haben Mehrwegglasflaschen bei der Milch eine Zukunft? Bleibt das eine Nische oder wird das irgendwann gar zum Standard?
Hesseling: Ein wichtiger Faktor für den Erfolg von Mehrwegglas ist die Rückgabeinfrastruktur, in die in der Schweiz flächendeckend wie auch in Österreich investiert werden muss. Es gibt viele gute Initiativen wie zum Beispiel das Projekt Au REverre, das für die Wiederverwendung von Glasflaschen in der Schweiz einsteht.
Stojanovic: Milch in der Mehrwegglasflasche hat durchaus ihre Berechtigung am Markt. Wir sind gespannt, ob das Angebot auch in den neuen Coop-Regionen auf Anklang stösst. Wir prüfen zurzeit die Einführung weiterer Produkte in der Mehrwegglasflasche.
Das Interview wurde schriftlich geführt.
Für die Milch in Mehrwegflaschen wurde Emmi vom Markenartikelverband Promarca mit dem Nachhaltigkeitsaward 2023 ausgezeichnet (mehr dazu hier).
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Toni-Joghurt: Rückkehr zum Glas ist offen
Seit diesem Juni verkauft Emmi sein Toni-Joghurt nicht mehr im Glas, sondern im PET-Becher. Grund dafür ist der weltweite Glasmangel und fehlende Herstellkapazitäten. «Unser langjähriger Lieferant war nicht mehr in der Lage, das Glas in ausreichender Menge zu produzieren», erklärt Sara Hesseling von Emmi. Auf der Markenwebsite toni-joghurt.ch liess der Milchverarbeiter die Konsumierenden darüber abstimmen, ob sie eine Rückkehr zum Glas wünschen. Das Ergebnis war glasklar: eine Mehrheit wünscht eine Rückkehr zum Glasbecher. «Wir arbeiten hart daran, dass Toni sein Glas bald wieder zurück hat», heisst es auf der Website. «Ob und wann wir wieder zum Glas zurückkehren können, ist heute noch offen», sagt Sarah Hesseling. Bis 2005 war das Toni-Glas ein Mehrwegglas. Es wurde zurückgenommen, gewaschen und wieder verwendet. Plant Emmi eine Rückkehr zum Mehrwegjoghurtglas? «Bei Glas fördern wir langfristig Mehrwegglas», sagt Hesseling. Ein funktionierendes Mehrwegsystem sei aber logistisch sehr anspruchsvoll und brauche die Kooperation aller Beteiligten, damit das Glas zurück in den Kreislauf komme. «Unser Toni-Jogurt ist bei vielen Detailhändler erhältlich und erfordert entsprechend eine gemeinsame Lösung.»

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