Der Ostschweizer Technologiekonzern Bühler verkauft seinen Kunden in der Lebensmittelwirtschaft nicht nur Anlagen wie Mühlen, Röster oder Extruder. An 23 Standorten auf der ganzen Welt betreibt Bühler auch Anwendungs- und Trainingszentren, in denen gemeinsam mit Kunden neue Produkte entwickelt und Verfahren getestet werden. Am Montag hat Bühler an seinem Hauptsitz in Uzwil (SG) gleich vier neue Anwendungszentren auf einmal eröffnet: das Flavor Creation Center, das Food Creation Center, das Protein Application Center und das Energy Recovery Center. Johannes Wick, CEO Grains & Food bei Bühler, bezeichnete die Eröffnung in einer Medienkonferenz als «Meilenstein für die Zukunft der Lebensmittelherstellung».
Die neuen Zentren würden die bestehenden Anwendungszentren in Uzwil ideal ergänzen, sagte Wick weiter. «Nun können wir die gesamte Bandbreite der Produktion an einem Ort abbilden, vom Rohstoff bis zum Endprodukt.» Mit der hochmodernen Infrastruktur und dem Expertenwissen von Bühler hätten die Kunden ein ideales Umfeld, um schnell und flexibel nachhaltige und gesunde Lebensmittel zu entwickeln. Ganz wichtig sei die Skalierbarkeit, betonte Technologiechef Ian Roberts. In den Bühler-Anwendungszentren könnten die Kunden auf Anlagen im kleinsten industriellen Masstab produzieren und so die Skalierbarkeit ihrer Produkte testen. Die Zentren stehen laut Wick während zwei Drittel der Zeit den Kunden zur Verfügung, in der restlichen Zeit nutzt Bühler die Anlagen für eigene Forschung und Entwicklung.
Synergien sollen Innovationen fördern
Im neuen Protein Application Center (300 m2) dreht sich alles um pflanzliche Proteine und ihre Verarbeitung etwa zu Fleisch- und Milchalternativen. Es ist ausgerüstet mit den neusten Nassisolationstechniken zur Trennung von Proteinen, Stärke und Fasern. Auf einer kleinen, aber hochflexiblen Batch-Scale-Anlage mit Tischgeräten (Nassmahlung, Dekanter, Membransystem, Sprühtrockner, UHT-Linie mit Homogenisator, Fermentationseinheit und Extrusionsanlage) können Kunden ihre Produktideen testen. Eng verknüpft ist das Proteinlabor mit dem bereits bestehenden Extrusionslabor, in dem jährlich 80 bis 90 Versuche stattfinden.
Das ausgebaute und renovierte Flavor Creation Center vereint auf 650 Quadratmetern das Know-how von Bühler in der Verarbeitung, Röstung und Vermahlung von Kakaobohnen, Nüssen, Kaffee und Malz an einem Ort. Bühler-Kunden können hier zum Beispiel verschiedene Kaffee- und Kakaorösttechnologien miteinander vergleichen.
Im Food Creation Center (850 m2) werden Kunden bei der Entwicklung und Industrialisierung von Riegeln, Waffeln, Keksen, Crackern, Backwaren aller Art oder Schokoladenprodukte unterstützt. Das Zentrum bietet unter anderem eine komplette Riegellinie im industriellen Massstab inklusive Schokoladenüberziehanlage.
Stefanie Hardtmann, Leiterin des Food Creation Centers betonte die Synergien zwischen den Anwendungszentren. So können etwa pflanzliche Proteine aus dem Protein-Zentrum, Flakes aus dem Extrusionslaber und Kakao und Kaffeenibs aus dem Flavor Creation Center im Food Creation Center zu einem Proteinriegel verarbeitet werden.
Aus Nebenströmen wird Heizenergie
Bühler nimmt in Uzwil auch die Nebenströme ins Visier. Rund 550 Tonnen Biomasse produzieren die Anwendungs- und Trainingszentren in Uzwil jedes Jahr. Bühler nutzt Abfälle und Nebenprodukte wie Weizenkleie, Reishülsen oder Kakaoschalen, um daraus Wärmeenergie zu gewinnen. Dazu hat Bühler zusammen mit dem Partner Vyncke das Energy Recovery Center gebaut. Die Biomasse wird während des Sommers gesammelt, im Winter wird daraus mit modernster Pyrovergasungstechnik von Vyncke Warmwasser produziert, mit dem der Bühler-Hauptsitz geheizt wird. Bühler pustet in Uzwil dadurch jährlich 600 Tonnen C02 weniger in die Luft. Die anfallende Asche kann als Zementzusatz oder Düngemittel genutzt werden.
Das Besondere: Das Zentrum dient auch als Demonstrations- und Testplattform für Kunden, die ihre Biomasse zur Energiegewinnung nutzen wollen. Sie können testen, ob und in welcher Zusammensetzung sich ihre Nebenströme für die Energienutzung eignen und zum Beispiel den Ausbeutungsgrad, die Aschequalität, die Rauchgasemissionen und die CO?-Reduktion messen. «Die Energiegewinnung aus Biomasse als integrierter Bestandteil von Prozesslösungen für Lebensmittel wurde bisher nicht systematisch entwickelt und hat daher ein enormes Potenzial, sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus nachhaltiger Sicht», ist Johannes Wick überzeugt.