Das Rührwerk der neuartigen Trocknungsanlage sorgt dafür, dass die Kräuter gleichmässig getrocknet werden und keine Feuchtigkeitsnester verbleiben.
Quelle: ZHAW
Funktionsmuster des Absorptionstrockners der ZHAW: Die Anlage hat eine Trocknerfläche von einem Quadratmeter. Darauf können Brennnesseln, Apfelminze, Pfefferminze und weitere Kräuter bis zu einem Feuchtigkeitsgehalt von 12 % getrocknet werden.
Quelle: ZHAW
Energiekonsum des ZHAW-Trockners (zweite, dritte und vierte Säule) im Vergleich zu einem herkömmlichen Trockner (Säule links). Dargestellt wird der Energiekonsum für Ventilator (blau), Pumpen (rot), Beheizung des Absorptionstrockners (gelb) und Regeneration der Natronlauge (grau). Die zweite Säule zeigt die erste Version des ZHAW-Funktionsmusters, die dritte Säule das aktuelle Funktionsmuster, das noch nicht isoliert ist und daher beheizt werden muss. Durch eine Isolierung kann künftig der Energieaufwand für die Heizung vermieden werden (Säule ganz rechts). Wenn man den Energieaufwand für die Regeneration der Natronlauge unberücksichtigt lässt, braucht der ZHAW-Trockner (Säule ganz rechts) 75 % weniger Energie als der herkömmliche Trockner (Säule ganz links).
Quelle: ZHAW
ZHAW-Funktionsmuster des Absorptionstrockners: Im oberen Teil durchströmt die Luft (blau) die Kräuter und trocknet sie. Darunter befinden sich drei Absorber, die die Luft entfeuchten und erwärmen. Bei der Entfeuchtung nimmt die Natronlauge (grün) aus der Luft Wasserdampf auf. Bei diesem Prozess wird Wärme frei.
Quelle: ZHAW
Wassergehalt der Luft während der Trocknung von Pfefferminzpflanzen am Eingang der Trocknungskammer (rot) und am Ausgang (blau): Die Trocknungsluft nimmt während des Trocknungsvorgangs Wasser aus den Pflanzen auf; nach rund 40 Stunden sind die Pflanzen getrocknet und die Trocknungsluft nimmt praktisch kein Wasser mehr auf. Während den ersten 23 Stunden wurde die Natronlauge durch den Wasserdampf von 40 auf 30 % verdünnt. Dann wurde die Natronlauge ersetzt durch neue, konzentrierte Natronlauge (45 %). Das hat zur Folge, dass die Wasserbeladung der Trockenluft absinkt. Grund: Je höher die Konzentration der Natronlauge desto tiefer die erzwungene relative Luftfeuchtigkeit am Absorberaustritt.
Quelle: ZHAW
Der Speicher einer beispielhaften Trocknungsanlage im Jahresverlauf: In den ersten Monaten des Jahres werden keine Kräuter getrocknet; die Wärme aus der Solaranlage wird zur Regeneration der Natronlauge benutzt – in den Speichern befindet sich nun zunehmend mehr konzentrierte Natronlauge anstelle von verdünnter Natronlauge. Ab Juni wird dann mehr Natronlauge für den Trocknungsprozess verwendet als gleichzeitig regeneriert. In der Folge steigt in den Tanks der Anteil an verdünnter (mit Wasserdampf gesättigter) Natronlauge.
Quelle: ZHAW
Das sieht man nicht alle Tage: Im Labor einer technischen Hochschule stehen auf einem Tisch Plastiksäckchen mit getrockneten Kräutern. Öffnet man eines davon, vernimmt man einen kräftigen Minzeduft. Wären da noch ein Tee-Ei und heisses Wasser, dann wäre der Minztee im Nu zubereitet. Doch wir sind nicht in einem Teehaus, sondern auf dem Campus der ZHAW im Stadtzentrum von Winterthur. Ein Untergeschoss beherbergt hier das Labor des Instituts für Energiesysteme und Fluid-Engineering (IEFE). Neben dem Labortisch mit den Teesäckchen steht eine raumhohe Anlage. Sie dient dazu, Minze, Gewürze oder Arzneipflanzen mit einem innovativen Verfahren zu trocknen.
Kräutertrocknung ist ein gängiges Konservierungsverfahren. Dabei wird ein trockener Luftstrom durch das Trocknungsgut geleitet. Die Bereitstellung der Trocknungsluft geschieht bisher in der Regel mit fossilen Brennstoffen oder mit Strom (Wärmepumpen-Luftentfeuchter). Anders ist das bei der Trocknungslage im Winterthur: Hier durchströmt eine durch Absorption entfeuchtete Luft das organische Material und nimmt dessen Feuchtigkeit auf. Die Entfeuchtung der Trocknungsluft durch Absorption hat einen doppelten Vorteil: Die Bereitstellung der Trocknungsluft kommt ohne fossile Energie und ohne Strom aus. Und: Die Absorberflüssigkeit kann mit industrieller Abwärme oder Solarwärme regeneriert und dann wiederverwendet werden (zur Funktionsweise siehe Textbox).
75 % weniger Energie
«Unser Verfahren hat ein grosses Potenzial, die Trocknung von Kräutern mit deutlich weniger Energie zu ermöglichen», sagt Serena Danesi, die das vom BFE unterstützte Forschungsprojekt an der ZHAW leitete, bevor es im Herbst 2023 abgeschlossen wurde. Der Projektschlussbericht untermauert die Aussage mit Zahlen: Die ZHAW-Laboranlage braucht im Vergleich zu einer herkömmlichen Trocknungsanlage mit Wärmepumpen-Luftentfeuchter rund 75 Prozent weniger elektrische Energie und reduziert die Trocknungsdauer um 50 Prozent (wobei das ZHAW-Team hierbei die Energie für die Regeneration der Natronlauge unberücksichtigt lässt, da es sich hierbei um «überschüssige, kostenlose Energie» handle). Die Absorberflüssigkeit (Natronlauge) sei «gut handhabbar» und die Qualität der getrockneten Kräuter «gleichwertig oder höher» als in konventionellen Trocknungsanlagen, schreiben die Forschenden im Projektschlussbericht.
Das Funktionsmuster der ZHAW ist das Ergebnis einer dreijährigen Forschungsarbeit. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bauten ein erstes Funktionsmuster und gelangten über verschiedene Optimierungen zu der heute vorliegenden Version. Eine der zentralen Herausforderungen war die Prozessführung der Absorptionsflüssigkeit, die den Wasserdampf im Absorber aus dem Luftstrom entzieht. Natronlauge wird heute schon in industriellen Prozessen eingesetzt, aber immer nur in luftdicht abgeschlossenen Kreisläufen. Der Grund: Kommt Natronlauge mit Luft in Kontakt, reagiert sie mit dem Luftbestandteil CO2 zu Natriumcarbonat, das als Bodensatz ausfällt. So wird die Natronlauge verbraucht.
Konstruktive Herausforderungen
Im ZHAW-Funktionsmuster wird Natronlauge erstmals in einem offenen Prozess – also mit Luftkontakt – eingesetzt. Da das Gehäuse des Absorptionstrockners aber verschlossen ist, kann die Natronlauge nur mit dem Luftvolumen im Trockner reagieren. Dieses Luftvolumen ist so gering, dass die Gesamtmenge an Natriumlauge nicht massgeblich geschmälert wird, wie die Versuche gezeigt haben.
Eine weitere Herausforderung bei der Konstruktion des Trockners war, dass das Trocknungsgut gleichmässig getrocknet wird, dass also keine Stellen mit Restfeuchtigkeit verbleiben. Dies wird mit einem innovativen Rührwerk sichergestellt. Schliesslich musste der Trockner möglichst kompakt gebaut werden, damit die Ventilatoren für die Trocknungsluft und die Pumpen für die Absorberflüssigkeit möglichst wenig Energie brauchen.
Regeneration im Desorber
Einer sorptive Trocknungsanlage besteht nicht nur aus dem Absorptionstrockner, der an der ZHAW entwickelt wurde. Zusätzlich ist eine Desorber erforderlich, in dem die Absorptionsflüssigkeit regeneriert wird: Hier wird der verdünnten Natronlauge Niedertemperaturwärme zugeführt und so aufkonzentriert, dass die Natronlauge anschliessend erneut zur Entfeuchtung der Trocknungsluft im Absorber verwendet werden kann. «Der Bau eines Desorbers ist mit bekannten technischen Mitteln umsetzbar und stellt insofern keine besondere Herausforderung dar», sagt Lukas Vontobel, der das ZHAW-Projekt massgeblich begleitet hat.
Er und das Forscherteam haben untersucht, wie eine sorptive Trocknungsanlage im industriellen Massstab aussehen würde. Bei der Berechnung orientierten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an einer existierenden Trocknungsanlage mit Wärmepumpen-Luftentfeuchter, die die Holderhof Produkte AG in Niederwil (SG) zur Kräutertrocknung verwendet. Dort werden aktuell auf einer Anlage mit 800 m2 Trocknungsfläche pro Jahr Kräuter mit einer Trockenmasse von 35 t getrocknet. Eine sorptive Trocknungsanlage könnte die gleiche Menge an Kräutern wegen ihres höheren Durchsatzes auf einer halb so grossen Fläche (400 m2) trocknen, haben die Berechnungen gezeigt.
Regeneration während des ganzen Jahres
Erforderlich für diese Trocknungsleistung wäre ein Doppeltank mit total 250 m3 Fassungsvermögen. In einem Tank wird die mit Wasser angereicherte (also verdünnte) Natronlauge zwischengespeichert, im anderen die regenerierte (aufkonzentriere) Natronlauge. Zur Regeneration der Natronlauge wäre eine Solarthermieanlage mit 250 m2 Fläche erforderlich. «Wir gehen in unserem Betriebskonzept davon aus, dass die Trocknungssaison von Mai bis Oktober dauert. Die Regeneration der Natronlauge würde sich über das ganze Jahr erstrecken», sagt ZHAW-Forscher Vontobel. Interessant dabei: Rund ein Fünftel der Regenerationsleistung wird in den Wintermonaten erbracht. Da sich die Regeneration über das ganze Jahr erstreckt, kann die Solarthermie-Anlage kleiner und günstiger gebaut werden.
Industrielle Trocknungsprozesse
Sorptive Trocknungsanlagen – das zeigt die ZHAW-Forschung – sind technisch grundsätzlich realisierbar. Erste Abschätzungen zeigen zudem, dass sie auch in ökonomischer Hinsicht konkurrenzfähig sein könnten. Als Einsatzgebiete sind – neben der Kräutertrocknung – weitere Industriebetriebe denkbar: Lackierereien etwa, die Lebensmittelindustrie, oder Fertigungsstätten für Baustoffe und Keramik. Trocknungsprozesse haben heute laut Schätzungen einen Anteil von 12 bis 25 Prozent am Gesamtenergiebedarf der Industrie. Mit sorptiven Trocknungsanlagen könnte der Einsatz von fossilen Energieträgern gesenkt und elektrischer Strom eingespart werden, hält der Schlussbericht der ZHAW fest.
Der Schlussbericht zum Projekt ‹SONITRO – Sorptive Niedertemperaturtrocknung› ist abrufbar unter:
Auskünfte zum Forschungsprojekt erteilt Markus Wolf (markus.wolf@bfe.admin.ch), Leiter des BFE-Forschungsprogramms Industrielle Prozesse.
Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Industrielle Prozesse finden Sie unter www.bfe.admin.ch/ec-prozesse.