5

Um ohne Wartezeit zum Artikel zu gelangen, benötigen Sie ein Abonnement.

Bereits registriert oder Abonnent:in?

Login

Jetzt Abo abschliessen

Probe Abo

Kostenlos

Geniessen Sie für einen Monat kostenlos alle Vorzüge eines Premiumabos.

Premium

ab CHF 98.–/Jahr

Online

Erhalten Sie uneingeschränkten Zugang zu allen Online-Beiträgen.

mit Papierrechnung ab 123.–

Premium Plus

ab CHF 170.–/Jahr

Online

Print

Uneingeschränkter Onlinezugang

Plus monatlich das gedruckte Magazin im Briefkasten.

mit Papierrechnung ab 195.–

Kräutertrocknung mit weniger Energie

Das Trocknen von Tee, Gewürzen und andere organischen Stoffen ist energieintensiv. Ein an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) entwickeltes Absorptionsverfahren senkt den Energieverbrauch deutlich. Auf diesem Weg lassen sich Solarwärme oder Abwärme aus industriellen Prozessen besonders gut energetisch nutzen. Das neuartige Trocknungsverfahren hat ein breites Anwendungspotenzial in der Lebensmittelindustrie.

Das sieht man nicht alle Tage: Im Labor einer technischen Hochschule stehen auf einem Tisch Plastiksäckchen mit getrockneten Kräutern. Öffnet man eines davon, vernimmt man einen kräftigen Minzeduft. Wären da noch ein Tee-Ei und heisses Wasser, dann wäre der Minztee im Nu zubereitet. Doch wir sind nicht in einem Teehaus, sondern auf dem Campus der ZHAW im Stadtzentrum von Winterthur. Ein Untergeschoss beherbergt hier das Labor des Instituts für Energiesysteme und Fluid-Engineering (IEFE). Neben dem Labortisch mit den Teesäckchen steht eine raumhohe Anlage. Sie dient dazu, Minze, Gewürze oder Arzneipflanzen mit einem innovativen Verfahren zu trocknen.
Kräutertrocknung ist ein gängiges Konservierungsverfahren. Dabei wird ein trockener Luftstrom durch das Trocknungsgut geleitet. Die Bereitstellung der Trocknungsluft geschieht bisher in der Regel mit fossilen Brennstoffen oder mit Strom (Wärmepumpen-Luftentfeuchter). Anders ist das bei der Trocknungslage im Winterthur: Hier durchströmt eine durch Absorption entfeuchtete Luft das organische Material und nimmt dessen Feuchtigkeit auf. Die Entfeuchtung der Trocknungsluft durch Absorption hat einen doppelten Vorteil: Die Bereitstellung der Trocknungsluft kommt ohne fossile Energie und ohne Strom aus. Und: Die Absorberflüssigkeit kann mit industrieller Abwärme oder Solarwärme regeneriert und dann wiederverwendet werden (zur Funktionsweise siehe Textbox).
75 % weniger Energie
«Unser Verfahren hat ein grosses Potenzial, die Trocknung von Kräutern mit deutlich weniger Energie zu ermöglichen», sagt Serena Danesi, die das vom BFE unterstützte Forschungsprojekt an der ZHAW leitete, bevor es im Herbst 2023 abgeschlossen wurde. Der Projektschlussbericht untermauert die Aussage mit Zahlen: Die ZHAW-Laboranlage braucht im Vergleich zu einer herkömmlichen Trocknungsanlage mit Wärmepumpen-Luftentfeuchter rund 75 Prozent weniger elektrische Energie und reduziert die Trocknungsdauer um 50 Prozent (wobei das ZHAW-Team hierbei die Energie für die Regeneration der Natronlauge unberücksichtigt lässt, da es sich hierbei um «überschüssige, kostenlose Energie» handle). Die Absorberflüssigkeit (Natronlauge) sei «gut handhabbar» und die Qualität der getrockneten Kräuter «gleichwertig oder höher» als in konventionellen Trocknungsanlagen, schreiben die Forschenden im Projektschlussbericht.
Das Funktionsmuster der ZHAW ist das Ergebnis einer dreijährigen Forschungsarbeit. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bauten ein erstes Funktionsmuster und gelangten über verschiedene Optimierungen zu der heute vorliegenden Version. Eine der zentralen Herausforderungen war die Prozessführung der Absorptionsflüssigkeit, die den Wasserdampf im Absorber aus dem Luftstrom entzieht. Natronlauge wird heute schon in industriellen Prozessen eingesetzt, aber immer nur in luftdicht abgeschlossenen Kreisläufen. Der Grund: Kommt Natronlauge mit Luft in Kontakt, reagiert sie mit dem Luftbestandteil CO2 zu Natriumcarbonat, das als Bodensatz ausfällt. So wird die Natronlauge verbraucht.
Konstruktive Herausforderungen
Im ZHAW-Funktionsmuster wird Natronlauge erstmals in einem offenen Prozess – also mit Luftkontakt – eingesetzt. Da das Gehäuse des Absorptionstrockners aber verschlossen ist, kann die Natronlauge nur mit dem Luftvolumen im Trockner reagieren. Dieses Luftvolumen ist so gering, dass die Gesamtmenge an Natriumlauge nicht massgeblich geschmälert wird, wie die Versuche gezeigt haben.
Eine weitere Herausforderung bei der Konstruktion des Trockners war, dass das Trocknungsgut gleichmässig getrocknet wird, dass also keine Stellen mit Restfeuchtigkeit verbleiben. Dies wird mit einem innovativen Rührwerk sichergestellt. Schliesslich musste der Trockner möglichst kompakt gebaut werden, damit die Ventilatoren für die Trocknungsluft und die Pumpen für die Absorberflüssigkeit möglichst wenig Energie brauchen.
Regeneration im Desorber
Einer sorptive Trocknungsanlage besteht nicht nur aus dem Absorptionstrockner, der an der ZHAW entwickelt wurde. Zusätzlich ist eine Desorber erforderlich, in dem die Absorptionsflüssigkeit regeneriert wird: Hier wird der verdünnten Natronlauge Niedertemperaturwärme zugeführt und so aufkonzentriert, dass die Natronlauge anschliessend erneut zur Entfeuchtung der Trocknungsluft im Absorber verwendet werden kann. «Der Bau eines Desorbers ist mit bekannten technischen Mitteln umsetzbar und stellt insofern keine besondere Herausforderung dar», sagt Lukas Vontobel, der das ZHAW-Projekt massgeblich begleitet hat.
Er und das Forscherteam haben untersucht, wie eine sorptive Trocknungsanlage im industriellen Massstab aussehen würde. Bei der Berechnung orientierten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an einer existierenden Trocknungsanlage mit Wärmepumpen-Luftentfeuchter, die die Holderhof Produkte AG in Niederwil (SG) zur Kräutertrocknung verwendet. Dort werden aktuell auf einer Anlage mit 800 m2 Trocknungsfläche pro Jahr Kräuter mit einer Trockenmasse von 35 t getrocknet. Eine sorptive Trocknungsanlage könnte die gleiche Menge an Kräutern wegen ihres höheren Durchsatzes auf einer halb so grossen Fläche (400 m2) trocknen, haben die Berechnungen gezeigt.
Regeneration während des ganzen Jahres
Erforderlich für diese Trocknungsleistung wäre ein Doppeltank mit total 250 m3 Fassungsvermögen. In einem Tank wird die mit Wasser angereicherte (also verdünnte) Natronlauge zwischengespeichert, im anderen die regenerierte (aufkonzentriere) Natronlauge. Zur Regeneration der Natronlauge wäre eine Solarthermieanlage mit 250 m2 Fläche erforderlich. «Wir gehen in unserem Betriebskonzept davon aus, dass die Trocknungssaison von Mai bis Oktober dauert. Die Regeneration der Natronlauge würde sich über das ganze Jahr erstrecken», sagt ZHAW-Forscher Vontobel. Interessant dabei: Rund ein Fünftel der Regenerationsleistung wird in den Wintermonaten erbracht. Da sich die Regeneration über das ganze Jahr erstreckt, kann die Solarthermie-Anlage kleiner und günstiger gebaut werden.
Industrielle Trocknungsprozesse
Sorptive Trocknungsanlagen – das zeigt die ZHAW-Forschung – sind technisch grundsätzlich realisierbar. Erste Abschätzungen zeigen zudem, dass sie auch in ökonomischer Hinsicht konkurrenzfähig sein könnten. Als Einsatzgebiete sind – neben der Kräutertrocknung – weitere Industriebetriebe denkbar: Lackierereien etwa, die Lebensmittelindustrie, oder Fertigungsstätten für Baustoffe und Keramik. Trocknungsprozesse haben heute laut Schätzungen einen Anteil von 12 bis 25 Prozent am Gesamtenergiebedarf der Industrie. Mit sorptiven Trocknungsanlagen könnte der Einsatz von fossilen Energieträgern gesenkt und elektrischer Strom eingespart werden, hält der Schlussbericht der ZHAW fest.
Der Schlussbericht zum Projekt ‹SONITRO – Sorptive Niedertemperaturtrocknung› ist abrufbar unter:
Auskünfte zum Forschungsprojekt erteilt Markus Wolf (markus.wolf@bfe.admin.ch), Leiter des BFE-Forschungsprogramms Industrielle Prozesse.
Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Industrielle Prozesse finden Sie unter www.bfe.admin.ch/ec-prozesse.

Eigeninserat Veranstaltungen Eigeninserat Veranstaltungen

Ähnliche Beiträge

Wichtige Nachricht verpasst?

Nicht wenn Du den kostenlosen Newsletter abonniert hast.