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Tierwohl ja, aber nicht zu jedem Preis

An der ersten Tagung des neu konstituierten Vereins «Qualitätsstrategie» ging es um Tierwohl. Zumindest, bis dann die Diskussion über Margen überhand nahm.

Die Schweiz liegt, mit ein paar wenigen Ausnahmen, beim Tierwohl international weit vorne. Zu diesem Schluss kommt Marc Boessinger von der landwirtschaftlichen Beratungsorganisation Agridea. Boessinger hat im Auftrag des Vereins «Qualitätsstrategie Schweiz» die gesetzlichen Tierwohl-Vorgaben in der Schweiz und in denjenigen Ländern verglichen, aus denen die Schweiz tierische Produkte importiert. Dabei wurden sämtliche relevanten Kriterien wie zum Beispiel Mindestraumbedarf, Raufutter, Eisenversorgung, Stallklima oder Beleuchtung beurteilt. Im Bericht wurde der Kriterienvergleich farblich verdeutlicht: Grün, wo die Schweiz strenger ist als das Ausland, gelb, wo sie etwa gleichauf liegt und rot, wo sie weniger streng ist. Im Bericht ist denn auch sehr vieles grün, manches gelb und sehr weniges rot (s. Kasten). «Und diese roten Punkte muss man richtig interpretieren», sagte Boessinger bei der Vorstellung des Berichts an der Veranstaltung «Die Zukunft baut auf Tierwohl» in Bern. Denn die Beteiligung von Schweizer Tierhaltern an staatlichen Programmen wie RAUS (Regelmässiger Auslauf) und BTS (Besonders Tierfreundliche Stallhaltung) sei hoch, was vieles relativiere. In der Schweiz gibt es laut Loessinger 65 Qualitätsprogramme oder Labels, auch die Discounter Aldi und Lidl würden beim Labelfleisch-Anteil nun nachziehen. Im Ausland hingegen seien Tierwohllabel praktisch ohne Bedeutung, mit Ausnahme von «Label Rouge» in Frankreich. In Deutschland arbeitet der Staat am Label «Mehr Tierwohl». Mit der Entwicklung in Deutschland werde der Vorsprung der Schweiz schrumpfen, sagte Boessinger. Grosse Unterschiede im Vollzug Kaspar Jörger vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV verdeutlichte auch die Unterschiede im Vollzug. In der Schweiz wird risikobasiert kontrolliert, ein Landwirtschaftsbetrieb wird mindestens einmal im Jahr kontrolliert. In Deutschland müssen die Betriebe je nach Bundesland damit rechnen, alle 15 Jahre oder auch nur alle 48 Jahre kontrolliert zu werden. Im Detailhandel haben Coop und Migros das Tierwohl vorangetrieben, wie ihre Vertreter in Bern aufzeigten. Beide importieren auch Geflügel, das nach Schweizer Tierschutz-Standards im Ausland produziert wurde. In der Gastronomie, wo immerhin die Hälfte des gesamten Fleisches konsumiert wird, gibt es unterschiedliche Strategien. Isabel Gherbal von der SV-Gruppe erläuterte, dass ihre Firma, die jährlich 2100 Tonnen Fleisch serviert, bei Rind, Kalb und Schweiz fast 100 Prozent des Fleisches aus der Schweiz beziehe. Über die Hälfte davon stamme aus BTS oder RAUS-Haltung, bis 2019 sollen es 80 Prozent sein. Mit dem Fleischgrosshändler Geiser setze man dies um, die höheren Preise im Einkauf würden dabei nicht auf die Konsumenten überwälzt, sondern bei der eigenen Marge kompensiert. Für kleinere Gastronomiebetriebe sei dies nicht möglich, betonte Maurus Ebneter von Gastrosuisse. Entsprechend schwierig sei teilweise die Verwendung von Schweizer Fleisch. Bei Rindfleisch stimme das Preis-Leistungsverhältnis nicht, kritisierte Ebneter. In diesem Markt brauche es dringend mehr Wettbewerb und mehr Qualität. Hansuli Huber, Geschäftsführer beim Schweizer Tierschutz STS, fand, die Schweiz habe bei Tierwohl grosse Fortschritte gemacht, aber es bleibe noch einiges zu tun. Huber kritisierte, dass der Bauernverband beim Thema Tierwohl «innerlich auf der Bremse» stehe, statt sich klar zu positionieren. «Die Tierhalter könnten zu den glaubwürdigsten Tierschutzbotschaftern werden.» Huber zeigte aber auch Verständnis für die Bauern: Bei den hohen Konsumentenpreisen spiele der Anteil der Produzentenpreise fast keine Rolle. Man müsse die Produzenten, die sich für das Tierwohl einsetzten, auch fair bezahlen. «Über die Margen muss man diskutieren.» Ernüchterung im Labelmarkt Margen und Preise waren dann auch das latente Thema auf dem Podium, zu dem drei bäuerliche Vertreter geladen waren: Christine Bühler, Präsidentin des Schweizer Landfrauen- und Bäuerinnenverbandes, Meinrad Pfister, Präsident des Schweineproduzentenverbandes Suisseporcs, und Christian Banga, Milch- und Geflügelproduzent aus Münchenstein. Pfister, der selber Mitte der Neunzigerjahre in die Labelproduktion eingestiegen war – «damals herrschte Aufbruchstimmung» – sagte, die Stimmung unter den Produzenten sei heute schlecht. Es gehe nur noch um Preise und Konditionen, das Herzblut sei weg. Auch die Labelfleisch-Lieferanten für die SV-Gruppe würden übrigens keine Zuschläge erhalten. Christine Bühler doppelte nach: «Den letzten beissen die Hunde», sagte sie. Die Bauern müssten nehmen, was am Markt übrigbleibe, das sei «beelendend». Fritz Legler vom Fleischhändler Geiser widersprach in der Diskussion Pfister und wies darauf hin, dass seine Lieferanten für die SV-Gruppe durchaus einen Zuschlag erhielten. Den Vorschlag aus dem Publikum, dass die Grossverteiler wie die SV Gruppe zugunsten der Bauern bei Labelfleisch auf Marge verzichten könnten, wies Bernhard Kammer, Leiter Ökologie und Nachhaltigkeit beim Migros-Genossenschafts-Bund, geflissentlich zurück: Migros müsse ohnehin Kosten sparen, um wieder fitter zu werden. Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz kritisierte, die Grossverteiler würden in ihrer Werbung den Konsumenten eine heile Agrar-Welt vorspiegelen. Migros-Mann Kammer bekannte, die Werbung sei vielleicht manchmal zu idyllisch. Tatsache sei, dass man im Migros-Magazin sachlich und offen über Tierhaltungs-Themen schreibe. So etwa auch über die tiergerechte Haltung von Wasserbüffeln in Italien, von wo die Migros Label-Mozzarella bezieht. Viele Leser hätten sich dann einfach über die Haltung der Kälber in Iglus aufgeregt. Das zeige, wie fremd vielen Konsumenten die Landwirtschaft inzwischen sei. roland.wyss@rubmedia.ch

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