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Zwischen Euter, Fabrik und Politik

Die Milch hat den Kanton Freiburg geprägt. Die Historikerin Anne Philipona erzählt die Geschichte der Freiburger Milchwirtschaft in den letzten zwei Jahrhunderten in einem faktenreichen Buch.

Als die Milch noch bis vor die Haustüre geliefert wurde: Szene aus Bulle um 1930. (Bild Musée gruérien/zvg)

Die Milch war und ist ein zentraler Wirtschaftsfaktor im Kanton Freiburg. Die Historikerin Anne Philipona hat 2017 auf Französisch eine umfassende Geschichte der Freiburger Milchwirtschaft ­vorgelegt. Nun ist ihr Buch auch auf Deutsch erschienen. Entgegen dem leicht blumigen Titel «Geschichte der Milch zwischen Bergen und Tal» ist das rund zweihundertseitige Buch eine gut recherchierte, faktenreiche und anschauliche Darstellung der Freiburger Milchwirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Philipona beleuchtet darin Produktion, Verarbeitung, Vermarktung und Konsum der Milch im Spannungsfeld zwischen lokaler Produktion und globalisiertem Markt.

Gefrorene Milch für den Export
Philipona beginnt ihre Darstellung mit den Nöten der Freiburger Milchwirtschaft im 19. Jahrhundert. Die Verlagerung der Käseproduktion von den Alpen in die Talkäsereien nach 1800 führt zu Qualitätsproblemen, weil die Talkäser die Milch vor dem Käsen Entrahmen. Ausserdem bricht der Absatz ein. Vor allem aber fehlt es an gut ausgebildeten Käsern. Erst 1888 geht der Kanton Freiburg mit der Gründung der Milchstation Pérolles dieses Problem an. Deren Leiter, der Chemiker Emmanuel de Vevey, entwickelt 1898 eine Tiefkühlmethode für Milch, um diese in ferne Länder exportieren zu können. Die Methode wird zwar erfolgreich getestet, aber nie kommerzialisiert, weil sich die Pasteurisierung durchsetzt. Einen Schub erhält die Milchwirtschaft mit der Industrialisierung. Zentral sind zuerst die Milchsiedereien. Ein Drittel der Freiburger Milchproduktion wird 1872 zu Kondensmilch verarbeitet. Mit der Erfindung der Milchschokolade ergibt sich für die Freiburger Milch neue Absatzmöglichkeiten. So verlegt etwa 1898 Alexandre Cailler seine Fabrik von Vevey nach Broc. Dort, im Greyerzbezirk, ­findet er nicht nur den Rohstoff Milch direkt vor den Fabriktoren, sondern auch zahlreiche Arbeitskräfte und Wasserkraft, um die Conchiermaschinen anzutreiben. Staatlich gelenkter Milchmarkt Während des Ersten Weltkrieges greift der Bundesrat rigoros in die Milchwirtschaft ein und etabliert eine Aufsicht, die im Wesentlichen bis in die 1990er-Jahre in Kraft bleiben wird. Dabei stützt sich der Bund auch im Kanton Freiburg auf die landwirtschaftlichen Verbände. Ein Musterbeispiel dafür ist die 1917 geschaffene Butterzentrale, ein vom Kanton kontrolliertes und von den drei kantonalen Milchverbänden geführtes halbstaatliches Unternehmen, das die Versorgung mit Butter sicherstellen soll. Nach Kriegsende führen die Verbände die Butterzentrale auf privater Basis weiter, daraus entsteht 1927 die Cremo, heute der viertgrösste Milchverarbeiter der Schweiz. Nach einer stürmischen Zwischenkriegszeit bringt die Nachkriegszeit eine starre Milchordnung, gegen die sich einige Freiburger wehren, indem sie «schwarz» käsen. Das Buch schlägt den Bogen bis in die Gegenwart, die mit dem Ende der Milchmarktordnung und der Käseunion 1999 auch für die Freiburger Milchwirtschaft neue Perspektiven eröffnet. Als die Freiburger Emmentaler kästen Philipona verknüpft Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte. Sie schildert die Feilschereien, mit denen die Milchgenossenschaften mit ihrem Dorfkäser um 1900 alljährlich den Milchpreis und Pachtzins neu aushandelten. Anhand von Gerichts­protokollen gibt sie Einblick in die Praktiken der Milchpanscher in der Zwischenkriegszeit. Und sie erzählt, wie in den 1940er-Jahren das Joghurt seinen Siegeszug antrat. Breiten Raum nimmt die wechselvolle Geschichte des Gruyère ein. Der Käse kämpfte immer wieder mit Exportproblemen, Nachahmerprodukten, fehlendem Markenschutz sowie der Übermacht des Emmentalers. So produzierten in den 1890er-Jahren alle Deutschfreiburger Molkereien nur noch Emmentaler. Erst hundert Jahre später produzieren die Deutschfreiburger Käsereien wieder vermehrt Gruyère. Solche verblüffenden Geschichten machen die Stärke von Philiponas Buch aus. Die Einbettung der lokalen Geschichte in den nationalen und internationalen Kontext von Politik und Wirtschaft machen ihre Freiburger Milchgeschichte auch für Interessierte ausserhalb des Kantons zur lohnenswerten Lektüre. Das Buch kann für 45 Franken auf der Website der Historischen Gesellschaft des Kantons Freiburg bestellt werden (www.shcf.ch).

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