Alfredo Rivera, Präsident der Kooperative «Comdelica» und Raphael Gugerli, CEO Delica Switzerland AG, im Einsatz auf der Plantage in Honduras. (Delica)
Unser interdisziplinäres Team aus Forschenden der ZHAW beschäftigt sich im Rahmen des Themenfelds Agro-Food-Business am Departement Life Sciences and Facility Management mit der sogenannten Distributed Ledger oder Blockchain-Technologie. Im Projekt «Kaffee-Blockchain – Vom Feld bis zur Tasse» haben wir Anwendungsmöglichkeiten für die Blockchain-Technologie untersucht, welche das Vertrauen in Agro-Food-Business-Wertschöpfungsketten stärken. Neben der interdisziplinären Zusammenarbeit innerhalb der ZHAW haben wir auch mit den Partnern Migros-Genossenschaft-Bund, Delica AG, Volcafe Holding Ltd. sowie ED&F Man Group zusammengearbeitet und uns während zwei Jahren Blockchain-Wissen rund um die Wertschöpfungskette Kaffee angeeignet.
Der CoffeeCoin – eine neue Währung
Nach dem Austausch mit unseren Partnern sowie innerhalb des interdisziplinären Projektteams ist unsere Vision, die Blockchain-Technologie dazu zu nutzen, die Verbindung zwischen Kaffeeproduzenten und Kaffeekonsumierenden zu stärken. Diese Vision soll durch den Blockchain-basierten CoffeeCoin realisiert werden, mit welchem die Kaffeekonsumierenden in das Kaffeewertschöpfungsnetzwerk einbezogen werden. Der CoffeeCoin ist eine virtuelle, Blockchain-basierte, nachhaltige Währung mit den Kaffeekonsumierenden als Impact Investoren. Der CoffeeCoin gibt den Kaffeekonsumierenden die Möglichkeit, sich gemeinschaftsorientiert an den von Kaffeebäuerinnen und -bauern ausgeschriebenen Aktionen des Wertschöpfungsnetzwerks zu beteiligen.
Zugang zum CoffeeCoin
Der Zugang zum CoffeeCoin und der damit verbundenen Community erfolgt direkt durch die Kaffeekonsumierenden über einen QR-Code auf der Kaffee-Packung im Einzelhandel. Mit jedem Kauf einer Packung Kaffee wird automatisch ein CoffeeCoin in Form eines einmalig generierten Codes mitgeliefert. Im Modellbeispiel wurde der CoffeeCoin mit einem Gegenwert von 50 Rappen bestückt. Ein QR-Code auf der Kaffee-Einzelhandelspackung führt direkt zu den gemeinschaftsorientierten Projekten in den Communities im Kaffeewertschöpfungsnetzwerk. Über die Crowdfunding-Seite werden laufende gemeinschaftsorientierte Projekte unterstützt. Die Kaffeekonsumierenden als Investierende haben ebenfalls die Möglichkeit, ihren Unterstützungsbeitrag frei zu wählen und in zusätzliche CoffeeCoins zu investieren. Damit die Unterstützung im Ursprung auch ankommt, arbeitet im Hintergrund eine öffentlich zugängliche Blockchain, welche sämtliche Transaktionen erfasst, dezentral speichert und für die Öffentlichkeit transparent macht.
Ambition und Werte des CoffeeCoins
Die Ambitionen von CoffeeCoin sind hochgesteckt. Mit dem Crowdfunding werden gleich mehrere Ziele verfolgt. Die Idee von CoffeeCoin ist es, eine soziale und wertebasierende Community aufzubauen, welche Kaffeekonsumierende für alle Akteure im Kaffeewertschöpfungsnetzwerk sensibilisiert. Die Werte hinter dem CoffeeCoin sind in Kern- und Herzwerte aufgeteilt. Die Kernwerte, der sogenannte rationale Kern, müssen zwingend erfüllt werden. Die Herzwerte repräsentieren den emotionalen Kern. Die beiden Werte bilden das Fundament, auf dem ein solidarisches Wertschöpfungsnetzwerk aufgebaut werden kann. Mit dem CoffeeCoin investiert der oder die Kaffeekonsumierende direkt in Massnahmen, welche sich an den Kernwerten des CoffeeCoins sowie an den individuellen Herzwerten des oder der Kaffeekonsumierenden orientieren und direkt innerhalb des Kaffeewertschöpfungsnetzwerks Wirkung erzielen.
Kosten der Blockchain
Für unser Projekt stand das Vertrauen der Konsumierenden im Vordergrund, es soll mit Hilfe von Blockchain-Technologien gestärkt werden. Daher haben wir für den CoffeeCoin die public Blockchain Ethereum ausgewählt, um gespeicherte Daten für alle Konsumierenden transparent zugänglich zu machen. Mit dem CoffeeCoin wollen wir keine Geldbeträge überweisen, sondern pro Kaffeepackung ein Datenobjekt in der Ethereum-Blockchain speichern. Für den CoffeeCoin verursacht das Erstellen des Datenobjekts in der Blockchain bereits Transaktionskosten von umgerechnet 3.38 Franken. Bei dieser Kostenschätzung ist jedoch zu beachten, dass die durchschnittlichen Transaktionskosten und der Umrechnungskurs sehr stark variieren. In Zeitperioden mit tiefen Transaktionskosten kostet das Anlegen eines Datenobjekts aber noch immer 0.56 Franken. Für Transaktionen mit hohen Beträgen kann die Ethereum Blockchain daher attraktiv sein, jedoch nicht für Kleinbeträge, wie es beim CoffeeCoin der Fall ist.
Senkung der Kosten
Die hohen Kosten betreffen aber vor allem die Blockchain-Lösungen, die auf dem Konsens-Mechanismus «Proof of Work (PoW)» basieren. Dies gilt zum Beispiel für die beiden bekanntesten Vertreter Bitcoin und Ethereum. Um dem entgegenzuwirken, wurde entschieden, dass für die nächste Generation von Ethereum (Ethereum 2.0) der Konsens-Mechanismus auf «Proof of Stake (PoS)» umgestellt werden soll – ein Mechanismus, der deutlich weniger Energie verbraucht und dadurch auch weniger Kosten verursachen soll. Die Umstellung wird voraussichtlich im Jahr 2022 stattfinden. Wie sich das auf die Transaktionskosten auswirkt, ist aber derzeit noch nicht klar. Natürlich ist Ethereum nur ein System von vielen und es existieren auch andere «public Blockchains», die auf dem Konsens-Mechanismus «Proof of Stake (PoS)» basieren und darum viel tiefere Energiekosten haben. Zum Beispiel Peercoin, Nxt, Polkadot, EOSIO oder Cardano.
Brücke zwischen Kaffeebauern und Konsumenten
Wir sehen die Blockchain Technologie als Brücke zwischen Produzierenden und Konsumierenden und als Mittel zur vertikalen Integration innerhalb der Kaffeewertschöpfungskette. Die Kontrolle darüber, ob der CoffeeCoin tatsächlich am gewünschten Knotenpunkt im Kaffeewertschöpfungsnetzwerk für die finanzierten gemeinschaftsorientieren Projekten eingesetzt wird, übernehmen einerseits die Kaffeebäuerinnen und -bauern und andererseits die Community der Kaffeekonsumierenden. Die Idee ist, dass so im Laufe der Zeit ein Fundament des Vertrauens und der gegenseitigen Solidarität entsteht. Ein Gemeinwohlsystem für beide Seiten.
*Patrick Lütolf, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, ZHAW Organisationseinheit Geschäftsfeldentwicklung René Itten, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschungsgruppe Ökobilanzierung, ZHAW Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen