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Biertreber als Proteinquelle

Das Schweizer Start-up Upgrain veredelt Biertreber zu Protein- und Ballaststoffpulver für Fleischalternativen, Back- und Teigwaren, Frühstücksflocken und Snacks. Zusammen mit der Brauerei Locher baut Upgrain in Appenzell seine erste grosse Produktionsanlage.

Joel Steiner und Vincent Vida von Upgrain. (zVg)

Wo Bier gebraut wird, fällt massenhaft Biertreber an, das sind die wasserunlöslichen Teile des Gerstenmalzes. Rund 80000 Tonnen sind es in der Schweiz pro Jahr. Das meiste davon wird an Nutztiere verfüttert. Statt im Futtertrog sollte Biertreber in veredelter Form besser auf den Tellern landen, findet Joel Steiner von Upgrain. Das Nebenprodukt der Brauereien sei nämlich eine nachhaltige und lokale Antwort auf die wachsende Nachfrage nach pflanzlichen Proteinen.
«Biertreber liefert viel Protein und Ballaststoffe und enthält viele Mineralien und Vitamine», erklärt Steiner. Da beim Brauen der Gerste Zucker und Stärke entzogen werde, sei Biertreber perfekt für Lebensmittel mit wenig Kohlenhydraten. Und er sei nachhaltig. «Biertreber liefert Proteine, für die es keinen Acker braucht.»
«Locher war unser Wunschpartner»
Upgrain wurde von Vincent Vida gemeinsam mit Joel Steiner 2021 gegründet, ins Abenteuer Biertreber-Upcycling haben sie sich bereits im September 2020 gestürzt. Zusammen haben sie ein Verfahren entwickelt, um aus dem nassen Biertreber mit 80 Prozent Wassergehalt ein Pulver mit nur 5 bis 8 Prozent Feuchtigkeit herzustellen und dabei Proteine und Ballaststoffe zu trennen. Wie der Prozess genau funktioniert, ist Betriebsgeheimnis. Man habe bestehende Prozesseinheiten auf eine Art und Weise kombiniert, die es so noch nicht gegeben habe, verrät Steiner lediglich. In insgesamt fünf Schritten wird der Treber mechanisch entwässert, die Proteine und Ballaststoffe werden separiert und zu Pulver vermahlen.
Die beiden Gründer kommen nicht aus der Lebensmitteltechnologie. Steiner ist Grafiker und Marketingfachmann, Vida absolvierte einen Master in Unternehmensführung an der HSG. Die Idee zum Biertreber-Upcycling kam Vida 2018 bei einer Brauereiführung. Das nötige Know-how haben sich die beiden durch regen Austausch mit Fachleuten angeeignet. Auf der Suche nach einem Produktionspartner ist Upgrain bei der Appenzeller Brauerei Locher fündig geworden. Die Brauerei hat rasch in das Start-up investiert und ist auch strategisch involviert. «Locher war unser absoluter Wunschpartner», sagt Steiner. Das Familienunternehmen upcycelt Biertreber, Bierhefe und Vorbier schon seit über 20 Jahren auf vielfältige Weise (siehe Kasten auf S. 19). «Wenn es um Kreislaufwirtschaft geht, ist Locher mit Abstand die innovativste Brauerei der Schweiz.»
75 Tonnen pro Tag
Direkt in den Hallen der Brauerei Locher hat Upgrain im März dieses Jahres eine erste Pilotanlage in Betrieb genommen. Durch diese Nähe könne Qualität und Effizienz gewährleistet werden, sagt Steiner. Mit der kleinen Anlage produziert Upgrain momentan täglich 200 bis 300 Kilogramm Pulver in Bio-Qualität und als konventionelle Variante - hauptsächlich als Muster für interessierte Kunden aus der Lebensmittelindustrie.
Upgrain und Locher sind derzeit daran, die Produktion zu skalieren. Auf rund 150 Quadratmetern wird in der Brauerei eine grosse Produktionsanlage aufgebaut, die täglich 60 bis 75 Tonnen Biertreber verwerten kann, 1000 bis 2000 Tonnen Pulver sollen es dann im ersten Jahr werden. «Das wird die grösste Proteinaufbereitungsanlage der Schweiz.» Anfang 2023 soll sie in Betrieb gehen. Die grösste Herausforderung sei dabei nicht die Lieferung der Maschinen, dort gebe es keine Verzögerungen, sagt Steiner. «Der Knackpunkt ist, genügend junge Mitarbeitende zu finden, die Interesse an Kreislaufwirtschaft haben, sich reinknien können und bereit sind, in Appenzell mit uns zu arbeiten.» 20 bis 30 Angestellte will Upgrain künftig beschäftigen.
Konkurrenzfähige Preise
Mit verschiedenen Partnern hat Upgrain bereits konkrete Lebensmittel aus den drei Pulvern entwickelt. Die Zwicky Schälmühle macht draus proteinreiche Frühstücksflocken in verschiedenen Varianten, die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat die Teigwarenproduktion getestet und zusammen mit der Berner Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (Hafl) tüftelt Upgrain an Milchproduktalternativen. Upgrain vermarktet gewisse Produkte auch selbst unter der eigenen Marke «grainmade». «In erster Linie entwickeln wir aber Produkte, um der Lebensmittelindustrie zu zeigen, wofür und wie sie unsere Rohstoffe verwenden können», erklärt Steiner. «So können wir zeigen, dass Produkte mit Biertreber gleich gut schmecken, nutritionell besser und nachhaltiger sind.» Ein grosser Vorteil sei, dass Biertreber – anders als Soja oder Erbsen – einen neutralen Geschmack habe.
Das Interesse der Lebensmittelindustrie an den Upgrain-Produkten sei gross, sagt Steiner. Auch preislich biete man ein wettbewerbsfähiges Protein aus der Schweiz an. Den genauen Preis werde man zwar erst festlegen, wenn die grosse Anlage in Betrieb genommen werde. «Aber wir werden preislich voraussichtlich irgendwo zwischen Soja und Erbsen liegen.»
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Die Brauerei Locher macht auch Fleischalternativen
Die Brauerei Locher ist eine Pionierin im Upcycling von Brauereinebenprodukten. «Es kann doch nicht sein, dass wertvolle Nähr- und Ballaststoffe nicht so verwertet werden wie sie es verdienen», sagt Karl Locher, Mitinhaber der Brauerei. Schon früh suchte er Lösungen. So stellt die Brauerei seit 25 Jahren aus dem Vorbier – dem Vor- und Nachlauf bei der Abfüllung – verschiedene Bieressigsorten her. Die Bierhefe wandert als Fischfutter in die eigene Eglizucht. 2014 startete Locher mit der Produktion der «Tschipps», frittierten Chips aus nassem Biertreber, Mais und Kartoffeln. «Damals haben uns viele belächelt», erinnert sich Locher. Heute sei man am Puls der Zeit. Mit Unterstützung von Konrad Munz, Extrusionsexperte des Technologiekonzerns Bühler, stellt die Brauerei mit Trocken- und Nassextrusion aus dem Treber auch texturierte Proteine her, die als Fleischalternativen verwendet werden können. Dafür wird Treber zusammen mit weiteren Proteinen wie Weizengluten, Erbsen, Soja oder Linsen temperiert, für wenige Sekunden auf über 140 Grad erhitzt, durch eine Düse verformt und zu Stückchen mit fleischähnlicher Textur geschnitten. Erste Restaurants und Metzger in der Region verwenden die Trockenextrudate (Hack, Schnetzel und kleine Schnitzel) und die Nassextrudate bereits.
Inzwischen produziert und verkauft die Brauerei zusammen mit Upgrain unter den eigenen Marken «brewbee» und «grainmade» neben Chips und Fleischalternativen auch Frühstücksflocken, Pizzas, Laugenkringel und den «Birratone» – ein Panettone mit Weizenmehl, Biertreber und Vorbier. Ein zehnköpfiges Team mit Lebensmitteltechnologen, Bäckern, einem Sternekoch und Verkäufern entwickelt, produziert und verkauft die Produkte. Erhältlich sind sie lokal und im Locher-Onlineshop. «Dank der Zusammenarbeit mit Upgrain bekommen wir Treberproteine in deutlich höherer Reinheit, damit werden unsere Fleischalternativen noch besser», erklärt Locher. Ausserdem könne man künftig allen Biertreber verwerten. «Dank der Partnerschaft mit Upgrain werden wir die erste Brauerei in Europa oder sogar weltweit sein, die 100 Prozent ihrer Nebenprodukte zu Lebensmitteln verarbeitet.»

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