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«Wir müssen den gemeinsamen Nenner politisch einbringen»

Petra Gössi, die frühere FDP-Präsidentin, ist seit einem halben Jahr Präsidentin der Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien Fial. Im Interview mit foodaktuell erklärt sie, was die Unternehmen am meisten beschäftigt, wie ihr Verband dasteht und wie sie den neuen Bundesrat beurteilt.

«Die Fial konnte ihre Position im Parlament in den letzten vier Jahren deutlich stärken.»

Frau Gössi, manche Mitgliedfirmen bei der Fial haben eine lange Geschichte mit bekannten Marken. Gibt es Produkte, mit denen Sie besonders verbunden sind?
Was wir schon früher immer gegessen haben, waren die Milchprodukte von Emmi. Und bei meiner Grossmutter gab es immer Bschüssig-Teigwaren und Rivella. Im Verband sehe ich jetzt, was hinter den Firmen und Marken steckt, was Lebensmittelproduktion wirklich bedeutet und in welchem wirtschaftlichen und regulatorischen Umfeld sie abläuft.
Konnten Sie schon Firmen besuchen, um sich ein konkretes Bild zu machen?
Ich habe schon mehrere Betriebe besichtigt. Zudem habe ich alle Fial-Vorstandsmitgliedern einzeln getroffen und mir ihre spezifischen Anliegen schildern lassen. Und ich habe Gespräche mit verschiedenen CEOs und Verwaltungsratsmitgliedern geführt. Dieser Austausch ist sehr wichtig, so spüre ich, wie die Unternehmen und die Menschen funktionieren und wo der Schuh drückt.
Und - was bewegt die Unternehmen derzeit am meisten?
Das hängt auch vom einzelnen Unternehmen ab, aber insgesamt ist sicher die Energiemangellage das wichtigste Thema. Was auch viele beschäftigt, sind Deklarationsthemen wie etwa der Nutri-Score, oder auch die Reduktion von Zucker, Salz und Fett.
Der Bundesrat hat zur Energiemangellage Vorschläge in die Vernehmlassung geschickt – mit denen die Fial nur teilweise zufrieden ist.
Ja, bei Stromabschaltungen müssen aus unserer Sicht Bereiche der Lebensmittelindustrie ausgenommen werden. Da geht es beispielsweise um Anlagen, die man nicht einfach für vier Stunden abstellen kann. Das würde zum kompletten Produktionsausfall im Betrieb und zum Zusammenbruch der Wertschöpfungskette führen.
Aber auch bei einer allfälligen Kontingentierung müsste es Ausnahmen geben. Wenn die Nahrungsmittelindustrie die Detailhändler nicht mehr beliefern kann, dann sind die entsprechenden Regale einfach leer. Das führt dann zu Hamsterkäufen, wie wir es beim WC-Papier während der Coronapandemie gesehen haben. Wenn das passieren würde, würde der Bundesrat auch die Unterstützung der Bevölkerung beim Stromsparen verlieren.
Wir konnten diese Anliegen direkt beim Bundesrat platzieren, wie der Bundesrat entscheiden wird, werden wir sehen.
Der Nutri-Score hat in der Schweiz an Boden gewonnen, in der EU wird derzeit der dahinterliegende Algorithmus überarbeitet. Weiss man bei der Fial etwas über die Fortschritte dabei?
In der EU haben manche Länder den Nutri-Score eingeführt, in Italien wurde dieser aber verboten. Für die exportierende Industrie wäre vor allem wichtig, dass es bald eine EU-weit einheitliche Regelung gibt und die Anbringung des Nutri-Score auch weiterhin auf freiwilliger Basis erfolgt. In der EU sind aber im nächsten Jahr Wahlen, und es ist gut möglich, dass das noch etwas länger dauert.
Das Verhältnis zwischen Schweiz und EU ist ein schwieriges Thema, das die Lebensmittelindustrie auch betrifft.
Die Sicherung des bilateralen Wegs ist für die Fial ein wichtiges Anliegen. Es geht nicht nur um die Exportindustrie. Auch wenn man einen funktionierenden Grenzschutz will, muss man den bilateralen Weg sichern. Man sollte eine so wichtige Frage für die Schweiz nicht in der Schwebe halten. Die gesamte Industrie, nicht nur die Nahrungsmittelindustrie, braucht vor allem Rechtssicherheit. Firmen, die keine klare Regeln haben, entscheiden sich irgendwann für Standorte mit klaren Rahmenbedingungen.
Ihre Partei hat sich aber nicht als Verfechterin des Rahmenabkommens hervorgetan, das den bilateralen Weg sichern würde.
Die FDP hat kommuniziert, dass sie nicht mit allen Punkten im Rahmenabkommen einverstanden ist: Bei der Streitschlichtung, bei der Unionsbürgerrichtlinie und bei der Guillotine. Das heisst nicht, dass man bei diesen Punkten nicht versuchen soll, Lösungen zu finden. Aussenminister Ignazio Cassis scheint hier einen grossen Schritt weitergekommen zu sein. Die Frage ist natürlich, bis wann man eine Lösung finden wird, da dieses Jahr in der Schweiz und in der EU Wahlen stattfinden.
Unter dem Dach der Fial sind nicht mehr alle Lebensmittelhersteller vertreten: Swiss Convenience Food Association und SwissOlio, Chocosuisse und Biscosuisse sind vor vier Jahren ausgetreten. Bleibt das so oder möchten Sie diese Verbände wieder integrieren?
Ich habe mit drei der vier Verbände Gespräche geführt. Das Ziel der Fial war immer, dass man die gesamte Nahrungsmittelindustrie vertritt. Das heisst, es geht darüber hinaus auch um andere Branchen, mit denen Gespräche geführt werden.
In der Politik gibt es zu einer bestimmten Frage immer nur ein Ja oder Nein. Es ist im Interesse der gesamten Branche, dass man sich auf einem gemeinsamen Nenner einigt und diesen politisch einbringt. Gewinnen kann man nur, wenn man gemeinsam stark auftritt – im Wissen darum, dass es bei einzelnen Fragen innerhalb der Industrie gegenteilige Interessen geben kann.
Es gibt aber sehr zentrale Themen wie den Grenzschutz, wo beispielsweise die Zuckerfabriken und die Schokoladenindustrie gegensätzliche Interessen haben.
Wir haben innerhalb der Fial klar definiert, wie wir mit solchen umstrittenen Punkten umgehen. Erstens nimmt die Fial nur dort aktiv Stellung, wo mehrere Branchen von einem Thema betroffen sind. Zweitens halten wir uns dort zurück, wo die Branchenverbände unterschiedliche Standpunkte einnehmen. In solchen Fällen sollen eben die Branchenverbände ihre Haltungen direkt einbringen und die Fial verweist auf diese unterschiedlichen Haltungen. So sind wir in den 80 bis 90 Prozent der Themen, in denen wir einheitliche Haltungen haben, deutlich stärker. Die Branchen behalten in den restlichen 10 bis 20 Prozent der Themen ihre volle Handlungsfreiheit. So fokussieren wir auf die Gemeinsamkeiten und stärken diese. Das machen wir ja auch mit Economiesuisse, Gewerbeverband, Arbeitgeberverband und Bauernverband mit der Kampagne «Perspektive Schweiz». Diese Verbände haben auch teilweise verschiedene Positionen, arbeiten aber in wichtigen Wirtschaftsthemen zusammen.
Aber da geht es ja einfach um Wahlkampf…
Man kann nicht nur gemeinsam Wahlkampf machen, ohne auch für gemeinsame politische Ziele einzustehen. Die Verbände haben gemeinsame wirtschaftspolitische und landwirtschaftspolitische Interessen, die nun gestärkt werden sollen. Ich erinnere zum Beispiel an das duale Bildungssystem und die Altersvorsorge.
Sie sagen, dass die Unternehmen zu den sie betreffenden Themen auch selber Stellung nehmen können. Es ist aber so, dass die wenigsten Unternehmensführerinnen und -führer aus der Lebensmittelbranche sich politisch exponieren möchten.
Ich rufe sie immer wieder dazu auf, ihre eigenen Anliegen zu erklären. Unternehmerinnen und Unternehmer haben die grössere Glaubwürdigkeit als Politiker, wenn es um ihre eigenen Interessen geht. Sie können ihre Positionen zum Beispiel mit einem Interview in den regionalen Medien vertreten. Das ist meines Erachtens wichtig, und ich werde mich weiter dafür einsetzen.
Der Schweizer Bauernverband war Anfang Jahr schon wieder sehr präsent, mit einer eigenen Medienkonferenz zur Raumplanung und jetzt mit der Kampagne «Perspektiven Schweiz». Die Fial dagegen kommt selten in den Medien vor.
Die Aufgabe der Fial ist es, politisch tätig zu sein, und die Geschäftsstelle ist auch nicht gleich gross wie diejenige des Bauernverbandes. Die Fial konnte ihre Position im Parlament in den letzten vier Jahren deutlich stärken. Wir haben im September zum zweiten Mal einen Parlamentarieranlass in neuem Format durchgeführt, der sehr gut angekommen ist. Das werden wir in diesem Jahr wiederholen. Die Mitglieder der parlamentarischen Kommissionen werden von der Fial seit der Neustrukturierung viel regelmässiger mit Positionspapieren und Argumentarien bedient. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier kennen die Fial. Und schliesslich ist die Fial auch Mitglied bei Economiesuisse, ich sitze dort für die Nahrungsmittelindustrie im Vorstand und im Vorstandsausschuss.
In der Wintersession wurden zwei neue Bundesräte gewählt. Neu haben drei Bundesräte einen bäuerlichen Hintergrund, was die Landwirtschaft natürlich freut. Ändert sich für die Lebensmittelindustrie etwas mit der neuen Zusammensetzung?
Man muss den neuen Bundesrat jetzt mal arbeiten lassen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und denke, dass die beiden Neuen dem Gremium guttun. Entscheidend ist aber nicht die Herkunft, sondern das politische Profil, und das ist ja ähnlich wie vorher. Wichtig ist, dass wir einen direkten Zugang haben, und da sehe ich kein Problem.
Wir haben auch einen sehr guten Austausch mit der Landwirtschaft und den Bauern. Es sind die Lieferanten der Nahrungsmittelindustrie und die Nahrungsmittelindustrie ist auch die Hauptabnehmerin der landwirtschaftlichen Produkte.
In der Wintersession wurde auch die Agrarpolitik 22+ debattiert, mit einem Teilerfolg für die Landwirtschaft. Was ist Ihre Zwischenbilanz
Der bisherige Stand entspricht etwa dem, was die Fial empfohlen hat. Die Diskussion über die AP 22+ geht weiter, sie ist jetzt in der Wirtschaftskommission des Nationalrats. Entscheidend wird das Endresultat sein.
Frauen in Kaderpositionen sind in der Lebensmittelbranche selten. Ist das ein Problem?
Ich finde es vor allem wichtig, dass Gremien durchmischt sind, damit verschiedene Sichtweisen zum Tragen kommen. Ich habe bis jetzt nicht die Erfahrung gemacht, dass Frauen zurückgehalten werden. Eine Schwierigkeit ist immer noch, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen. Es gibt auch immer mehr Beispiele für Frauen in den Geschäftsführungen, wie Emmi mit der neuen CEO Ricarda Demarmels. Und auch die Verwaltungsräte werden durchmischter.
Teilweise liegt es auch an fehlenden Teilzeitmodellen oder Kinderbetreuungsangeboten, dass gut ausgebildete Frauen es auf der Karriereleiter nicht so weit nach oben schaffen.
Die Unternehmen müssen dafür sorgen, dass Teilzeit möglich ist, allerdings sind die obersten Kaderstufen mit Teilzeit schwierig. Es ist aber auch ein politisches Thema, deshalb ist die FDP für Betreuungsgutschriften, die auch eine Flexibilität bieten. Das ist wichtig, weil die Familienstrukturen heutzutage auch sehr unterschiedlich sind.
Es gibt in der Schweiz immer mehr Hersteller von Fleisch- und Milchalternativen. Diese stören sich daran, dass in der Schweiz der Bund die Fleisch- und Milchwirtschaft stark mit Direktzahlungen und Absatzförderungsgeldern unterstützt. Sie finden, dass der Bund alternative Proteine mehr unterstützen sollte, weil sie nachhaltiger sind. Was denken Sie?
Meines Erachtens ist es nicht Sache der Politik, die Menschen zu einer bestimmten Ernährungsweise zu erziehen. Ich setze darauf, dass die Konsumenten am Markt wählen, was sie wollen, und dass die Politik sich danach richtet. Der Staat sollte sich darauf beschränken, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die nicht marktfähigen Leistungen der Landwirtschaft korrekt abgegolten werden und die politisch angestrebte Versorgungssicherheit sichergestellt ist. Das möglichst, ohne zu stark in den Wettbewerb einzugreifen. So werden ja neu ab diesem Jahr Einzelkulturbeiträge für Eiweisspflanzen zur menschlichen Ernährung ausgerichtet, also genau für die Rohstoffe dieser alternativen Produkte. Und auch die Absatzförderungsmittel stehen sämtlichen Produktekategorien offen.
Möglicherweise ist die Gentechnik ein Instrument für eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion in der Zukunft. Mit dem Argument «Die Konsumenten wählen, die Politik richtet sich danach» bewegt sich hier gar nichts, weil die Konsumenten auch in zehn Jahren noch gegen Gentechnik sein werden.
Ich bin nicht so sicher, ob die Konsumenten immer noch so stark dagegen sind. Mit Crispr-CAS hat sich die Technologie weiterentwickelt, sie bietet meines Erachtens ein grosses Potenzial, das man – bei aller Vorsicht - nutzen sollte. Ich persönlich bin gegen das Gentech-Moratorium.
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Petra Gössi
Petra Gössi (46) ist seit 2011 Nationalrätin für den Kanton Schwyz und war von 2016 bis 2021 Präsidentin der FDP Schweiz. Seit Juli 2022 ist sie Präsidentin der Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien Fial. Seit September 2022 vertritt sie die Nahrungsmittelindustrie auch im Vorstand und im Vorstandsausschuss von Economiesuisse.
Gössi ist seit 2022 Inhaberin der Gössi Consulting AG und in der Strategieberatung tätig. Sie hat an der Universität Bern ein Studium der Rechtswissenschaften abgeschlossen und ein Nachdiplomstudium Master of Economics für Wirtschaftskriminalität absolviert. Derzeit absolviert sie ein Executive MBA Studium an der Universität St. Gallen.

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