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Vielfältige Forderungen an die Landwirtschaft

Im globalen Freihandel könnte die Schweizer Landwirtschaft nicht bestehen. Qualität und Direktverkauf, aber auch härterere Preisverhandlungen mit den Abnehmern sind Lösungsansätze, die am Podium des Bernischen Bauernverbandes diskutiert wurden.

Die Referenten des Podium 2023: Martin Rufer, SBV, Hansjörg Rüegsegger, BBV, Aline Gerber, Regina Moser, Direktvermarkterinnen, Jürg Vollmer, Moderator, Matthias Meier, HAFL, Mathias Binswanger FHNW und Christian Hofer, BLW. (hps)

Unter dem Motto «Am Sonntag abstimmen und am Montag einkaufen» führte der Bernische Bauernverband BBV das Neujahrspodium am 6. Januar im Schlossgut in Münsingen durch. Die Trinkwasser- und die Pestizidverbotsinitiativen im 2021 und die Massentierhaltungsinitiative im letzten Jahr wurden zwar abgelehnt. Sie zeigten aber, dass ein grosser Teil der Bevölkerung sich am Abstimmungssonntag zu einer lokalen und nachhaltigen Landwirtschaft bekennt, im Laden dann aber doch eher auf den Preis als auf Ökologie achtet. Der Bioanteil im durchschnittlichen Warenkorb liegt bei nur rund 11 Prozent.
Heidi-Landwirtschaft, aber preisgünstige Lebensmittel
«Ja, die Gesellschaft hätte gerne eine Landwirtschaft, die hochwertige Lebensmittel produziert, die Umwelt nicht belastet, zum Tierwohl Sorge trägt und das Kulturland pflegt», sagte Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Die Konsumenten möchten aber auch: preisgünstige Lebensmittel, keinen Lärm und Geruch, eine Heidi-Landwirtschaft, die möglichst viel Land für Wohnungsbau im Grünen abgibt, aber keine Hühnermasthallen. Die Landwirtschaft sei den unterschiedlichsten Anforderungen ausgesetzt, so Binswanger.
«Die Schweizer Landwirtschaft ist in einem Freihandel nicht konkurrenzfähig», stellte Binswanger fest. Dies zeige schon nur die Wertschöpfung, die pro Beschäftigen und Jahr nur gerade 30000 Franken betrage, während sie in der Pharmabranche oder im Bankenwesen bei 300000 Franken liege. «Die Bauern könnten noch so produktiv werden, konkurrenzfähig werden sie nicht», so Binswanger.
Die Schweizer Landwirtschaft habe aber auch eine spezifische Marktsituation: Viele Tausende Produzenten, einige Verarbeiter und ganz wenige Händler und viele Konsumenten.
Grosse Händlermargen
Ein grosses Problem ortete Binswanger bei den Händlern. Denn ein immer kleinerer Teil der Einkommen lande auch wirklich auf dem Bauernhof – während die Handelsmarge kontinuierlich wachse. Binswanger zeigte anhand von Marktuntersuchungen, unter anderem mit Zahlen der Metzger Treuhand, dass die Handelsmarge insbesondere bei Labelprodukten wächst. Beim Bio-Hinterschinken erhalte der Handel ganze 65 Prozent(!). Beim Biohackfleisch noch gegen 50 Prozent, während der Rest der Wertschöpfung an die Tierhaltung und an die Verarbeiter gehen würden.
Bei dieser Marktmacht des Handels gehe der Anteil an der Wertschöpfung in der Nahrungsmittelproduktion für die Bauern zurück und es sei kein Wunder, dass der Anteil der Labels stagniere. Die Landwirte hätten keinen grossen Anreiz, auf Bio umzusteigen. Binswanger zitierte den Schweizer Tierschutz mit der Aussage, dass die Tierwohlbewegung in der Schweiz trotz staatlicher Förderung zu scheitern drohe. Dies sei der Widerspruch in der Agrarpolitik. Die Bauern sollten immer ökologischer werden, gleichzeitig immer produktiver. «Das ist die landwirtschaftliche Tretmühle», sagt Binswanger und forderte: «Die Weko müsste sich einmal mit der Marktmacht der Grossverteiler und deren Margen beschäftigen». Dazu brauche es aber eine Klage eines spezifischen Falles.
Direktvermarktung als gute Alternative
«Ich möchte die Bauern auffordern, einmal einen konkreten Fall vor die Weko zu bringen», sagte Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbandes (SBV). Er zeigte sich einverstanden mit Binswanger, dass die Bauern mit der Direktvermarktung die Möglichkeit haben, die Marktmacht der Grossverteiler zu umgehen. Dennoch bleibe die Direktvermarktung eine Nische und es könne eben die ganze Schweiz direkt auf dem Bauernhof einkaufen. Ausserdem müsse man bei der Direktvermarktung aufpassen, dass die Preise nicht zu weit weg vom Marktumfeld seien, sagte Aline Gerber, Bäuerin in Kaufdorf. Auch die Verarbeitungskosten in den kleineren gewerblichen Strukturen seien schliesslich höher. Gerber vermarktet mit ihrem Partner zusammen die Eier und Mastpoulets von ihrem Hof selber. Man müsse viel ausprobieren im Hofladen. Das wichtigste sei aber, das Kundenvertrauen zu gewinnen. Im direkten Gespräch könne man den Kundinnen und Kunden zeigen, dass es wichtiger sei, lokal einzukaufen als sich nur nach Labels auszurichten. Auch Regina Moser, Bäuerin aus Hindelbank, setzt auf Direktvermarktung. Dank der zentralen Lage im Dorf laufe das Geschäft mit der Selbstbedienung, aber auch mit den Gemüseabos gut. Wichtig sei es aber auch die Verarbeiter zu beliefern und damit eine gewisse Diversifizierung im Absatz zu erhalten.
Am Markt mehr holen
Die Fokussierung der Landwirtschaft auf den Markt stimmt Martin Rufer zuversichtlich und der Verband wolle sich künftig noch stärker für bessere Preise bei den Abnehmern einsetzen. «Wir müssen bei den Preisverhandlungen einen Zacken zulegen», so Rufer. «Wenn wir im 11,3 Milliarden grossen Markt für landwirtschaftliche Produkte ein Prozent holen können, ist das viel mehr als bei den jährlich 2,8 Milliarden Direktzahlungen.»
Wenn aber die Märkte nicht mehr spielen würden, müsse eben die Politik eingreifen, sagte Christian Hofer, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW. Man müsse die externen Kosten auch einbeziehen und für eine nachhaltigere Produktionsweise die Preise erhöhen. Nachhaltigkeit forderte auch Matthias Meier, Dozent an der Berner Fachhochschule HAFL. Auch die Landwirtschaft sei ein Teil der Wirtschaft und müsse damit ebenso wie die übrige Wirtschaft zum Netto-Null-Ziel beitragen. Dabei sei es wichtig, dass die ganze Ernährungswirtschaft in die Pflicht genommen werde und der Klimafussabdruck einer Person von heute 2 Tonnen CO2-Emissionen auf 600 Kilogramm gesenkt werde. Dabei sei das Ernährungssystem jedoch sehr komplex, sagte Meier und meinte: «Das geht nur, wenn Lösungen zusammen, von der Produktion bis zum Konsum, entwickelt werden.»

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