Die Struktur von High-Protein-Joghurt mit 34% Molkenproteinanteil ist abhängig von den Erhitzungsbedingungen: Links: 95°C/5 min; Rechts: 75°C/5 min. (Siv Skeie)
High-Protein-Joghurt sind auch hierzulande seit einigen Jahren ein Trendprodukt. Die traditionelle Herstellung erfolgt durch Abtropfen nach der Säuerung beziehungsweise durch Molkenseparation im Quarkseparator. Professorin Siv Skeie von der norwegischen Universität für Life Sciences stellte ihre Arbeiten zur verbesserten Technologie vor, die sie in Zusammenarbeit mit der Molkereigruppe Tine entwickelt hat. Vor der Säuerung kann die Proteinanreicherung durch Milchproteinpulver-Zugabe erfolgen, was sensorisch anspruchsvoll ist wegen möglichem kartonartigem oder verbranntem Fehlgeschmack durch Oxidationen oder Aminosäureabbau. Die typische Joghurtstruktur wird durch ein weiches dreidimensionales hydratisiertes Proteinnetzwerk gebildet, Quark dagegen enthält lose körnige Bruchpartikel. Mit Quarktechnologie hergestellte fettarme Proteinjogurt sind daher oft körnig.
In Siv Skeies Untersuchungen ergab die Proteinanreicherung in nicht erhitzter Milch mittels Mikro- und Ultrafiltration vor der Säuerung mit bis 35% Molkenproteinanteil, und danach Homogenisierung und reduzierter Erhitzung bei 75#SONDERZEICHEN7#C/5 min und Säuerung auf einen erhöhten pH von ca. 4.8 eine glatte glänzende Joghurtstruktur und einen Joghurtgeschmack ohne Bitterkeit. Rahmzugabe vor der Homogenisation verbesserte die Netzwerkstruktur weiter. Anstelle saurer Molke wird hochwertigeres Milchpermeat gewonnen. Professor John Lucey vom Milchforschungszentrum in Wisconsin (USA) fand heraus, dass sich micelläres Kasein-Pulver gut eignet für die Proteinanreicherung für Hochprotein-Joghurt, da die Ionenstärke tiefer ist. Gemäss den Untersuchungen kann zu starke Molkenproteindenaturierung das Synärese-Risiko bei Joghurt erhöhen. Dr. Nico Piskors von der Universität Hohenheim konnte in Hochprotein-Joghurt Trockenheit und Körnigkeit durch Tieffrequenz-Hochleistungs-Ultraschall reduzieren.
Exopolysaccharide ersetzen Zusatzstoffe
Mehrere Redner von Instituten aus Deutschland (Technische Universität Dresden), Neuseeland (AgResearch) und Kanada (STELA-Milchforschungszentrum) arbeiten in Zusammenarbeit mit Industriepartnern an der Textur von Joghurt und Frischkäse durch Exopolysaccharid (EPS)-Bildung von zum Beispiel Streptokokken oder Laktokokken. Es ist weltweit ein sehr bedeutendes Forschungsfeld und birgt noch viel Potenzial. Stammspezifisch werden keine, freie EPS oder kapselförmige – an die Zellwand angelagerte - EPS gebildet. EPS können mehr oder weniger fadenziehend sein, was mit der Dehnviskosität gemessen wird. Für Joghurt ist fadenziehend nicht erwünscht. EPS bildende Streptokokken ergaben eine etwas raschere und festere Gelbildung im Joghurt, ein Lactococcus lactis Stamm mit fadenziehenden EPS erhöhte die Festigkeit von Frischkäse.
Li Day von AgResearch entwickelte eine Schnellmethode für das Screening von Stämmen auf EPS-Bildung und Textureinfluss für die Beschleunigung der Entwicklung neuer strukturbildenden Kulturen. Ein weiteres Ziel ist, Zuckerzusatz durch aromaintensivere Kulturen zu reduzieren. Agathe Shera (STELA) verfolgt in Zusammenarbeit mit Yoplait das Ziel, Zusatzstoffe in Joghurt wie zum Beispiel Stärke durch EPS-Bildner zu ersetzen. Dies gelang mit der Zusatzkultur Lacticaseibacillus paracasei LMA-1793, selektioniert aus 537 Kandidaten ihrer Stammsammlung.
A2-Milch für Joghurt nicht geeignet
Davor Daniloski (Viktoria Universität, Australien und Teagasc, Irland) entdeckte, dass die genetische Beta-Kasein-Variante A2/A2 bei Säuerung deutlich weniger feste Gele ergab als A1/A1 oder A1/A2. Er erklärte das mit der unterschiedlichen Proteinstruktur aufgrund der Differenzen in den Aminosäuren Prolin und Histidin. Für Joghurt und andere Milchprodukte mit Säuregerinnung wie Quark oder Hüttenkäse ist somit A2-Milch nicht gut geeignet.
Biodiversität und Geschmack durch neue Joghurt- und Käsekulturen
Die breite Anwendung weniger Stämme der gleichen Kulturenhersteller und hohe Hygiene führten zur Verarmung der Biodiversität von fermentierten Milchprodukten. Die Nature-Produktpalette ist daher im Flavour schwächer und gleichartiger geworden, ebenso die Versorgung der Darmflora des Menschen mit Keimen. Dr. Olivia McAuliffe, Teagasc, Irland, fand bei Lactococcus lactis und Lactococcus cremoris-Stämmen aus milchfremden Umgebungen wie grünen Erbsen, Gras, Kuhpansen und Mini-Maiskölbchen vielfältigere Stoffwechsel-Fähigkeiten, als bei milchassoziierten Stämmen. Die Stämme ergaben ein vielfältigeres Käsearoma. Fruktophile Milchsäurebakterien wie Fructobacillus fructosus und Leuconostoc mesenteroides aus irischen Blumen können Mannit aus Fruktose bilden und sind für die Herstellung von Zucker-reduzierten Produkten interessant.
Professorin Gisèle LaPointe, University of Guelph-Toronto, Kanada, nutzt Machine-Learning, um aus Big Data des Screenings von Stämmen Stoffwechseleigenschaften der Stämme vorherzusagen. Vierzehn Aromakomponenten und die Säuerungszeit bis pH 4.6 erwiesen sich als entscheidende Auswahlkriterien. Über das Verhältnis von Streptococcus thermophilus zu Lactobacillus bulgaricus lassen sie sich beeinflussen. Rheologische und sensorische Parameter fliessen im nächsten Schritt in die Modelle ein.
Ein anderer Ansatz nutzt traditionell fermentierte Rohmilchprodukte als Quelle für neue Kulturenstämme. Dr. Rashmi Mallapa vom indischen ICAR-National Dairy Research Institute hat dazu 48 Dahi, oft aus Rohmilch hergestellt, aus verschiedenen Regionen untersucht und 192 Isolate gefunden, die zum grössten Teil aus Stämmen der Spezies Lactobacillus delbrückii, Streptococcus thermophilus, Limosilactobacillus fermentum, Lactococcus lactis und Leuconostoc spp. bestanden.