«Emotionen sind auch im B2B wichtig.» Der Neuromarketingexperte Philipp Zutt. (zVg)
Herr Zutt, Sie befassen sich mit Neuromarketing. Was versteht man darunter?
Marketing, bei dem Kenntnisse aus der Neurologie und Neuropsychologie miteinbezogen werden. Es geht darum, Dinge über die Menschen herauszufinden, die sie vielleicht selbst gar nicht verbalisieren können. Und dann damit im Marketing so zu arbeiten, dass die gewünschte Wirkung erzielt wird. Wir sind alle sehr emotionale Wesen. Alle Entscheide, die wir treffen, sind zu 80 bis 90 Prozent durch Emotionen bestimmt.
Und diese Emotionen kann man dank Neuromarketing beeinflussen?
Ja. Es gibt aber keinen Kauf-Knopf im Hirn, den man auslösen kann. Aber Prinzipien, mit denen man das Kaufverhalten beeinflussen kann.
Was sind das für Prinzipien?
Etwa der sogenannte Goldstandard. Das ist die Vorstellung davon, wie etwas sein müsste. Wenn ich Sie frage: «Wie sähe das perfekte Hotel für Wanderferien aus?», haben Sie eine Vorstellung davon. Meine Vorstellung ist vielleicht eine andere, aber wenn man mit 50 oder 100 Menschen aus der Zielgruppe einen gemeinsamen Nenner findet, dann können wir eine emotionale Erwartung als Gold-Standard entwickeln, der als Massstab dient.
Dann geht es darum, einen emotionalen Faden entlang dem Goldstandard über alle Touchpoints zu etablieren, das ist das zweite Prinzip. Beispielsweise sollten der Online-Auftritt und der Offline-Auftritt nicht nur das gleiche Logo haben, sondern auch sonst zusammenpassen. Wichtig ist auch, dass Kampagnen zum Markenkern passen. Bei Nespresso etwa passt alles perfekt: Das Feeling im Laden, auf der Webseite, der Vorgang zum Nachbestellen, die Werbung mit George Clooney.
Das dritte Prinzip?
Das sind die Sinne. Alles, was im Marketing gemacht wird, muss den Kunden idealerweise über mehrere Sinne erreichen. Zum Beispiel der Sehsinn: Wir haben festgestellt, dass die Farbe Grün helfen kann, dass eine Getränkemarke als natürlicher wahrgenommen wird. Es muss dann aber zum Markenkern passen. Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb es Rivella grün noch gibt, nicht aber das grüne Coca-Cola life.
Welche Rolle spielt Neuromarketing im B2B-Kontext? Da geht es doch mehr um Preis und Leistung als um Emotionen?
Falsch. Bei B2B kommen genau die gleichen Prinzipien zum Zug wie bei B2C, nur die Touchpoints sind andere. Statt Ladenregale und Werbung hat man eben den Auftritt des Beraters oder eine Offerte. Klar spielen Preis und Leistung eine wichtige Rolle, aber als Getränkehersteller beispielsweise wollen Sie dem Einkäufer für den Detailhandel das Gefühl geben, dass Sie und er gemeinsam Erfolg haben können. Dafür braucht es auch Emotionen.
Und wenn ich als Zulieferer einem Hersteller etwas sehr Unsinnliches wie einen Durchflussmesser verkaufen will?
Sie sollten ihm eine Offerte machen, die heraussticht. Wenn er drei vergleichbare Offerten auf dem Tisch hat, geht es nur noch um den Preis. Das heisst, Sie müssen Ihre Offerte «unvergleichbar» machen, mit der Gestaltung, der Gliederung, mit Farben und Bildern.
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