Laut Sara Hesseling von Emmi war die Beschaffung der Glasflaschen für die Mehrwegmilch eine der grossen Herausforderungen. (Au REverre)
Die Flasche fällt beim Wein ökologisch ziemlich ins Gewicht. Sie ist für 45 Prozent des CO2-Fussabdrucks eines Weines verantwortlich. Grund genug für einige Weinbaugenossenschaften aus Württemberg, von der Einweg- zur Mehrwegflasche zu wechseln. Gemeinsam haben sie als Wein-Mehrweg eG die bundesweit erste 0,75-Liter-Mehrwegpoolflasche für Wein lanciert. «Durch die Wiederverwendung reduzieren wir den CO2-Ausstoss um 50 bis 60 Prozent bei fünf bis 10 Umläufen», erklärte Werner Bender, Vorstand der Wein-Mehrweg, an einer Tagung zu Mehrwegglasflaschen in Biel vom 28. August (siehe Kasten). Bis zu 50 Mal sollen die Flaschen gewaschen und wieder befüllt werden können, mit jedem Umlauf reduziere sich die CO2-Belastung weiter. Die Flasche bringe aber nicht nur ökologische Vorteile, sondern mache die Produzenten auch unabhängiger, so Bender: Engpässe in der Glasbeschaffung und steigende Beschaffungskosten träfen die Weinbranche bei Mehrweg weniger.
Die Wein-Mehrweg hat für ihren Pool eine einheitliche Standardflasche mit langem Hals kreiert. Eine auffallende «Mehrweg»-Stempelprägung macht die Flasche als Mehrwegflasche erkennbar. Die Württenberger möchten ihre Mehrwegflasche mit 25 Cent Pfand in ganz Deutschland ausrollen, eine standardisierte Flasche erleichtert das Sortieren und die Logistik ungemein. Für die Weinproduzenten heisst die Standardflasche aber auch: Sie können sich nicht mehr über ihre Flaschenform differenzieren. «Mehrweg bedeutet immer Standardisierung und Verzicht auf Individualisierung», betonte Bender. Die Etikette werde daher fürs Marketing wichtiger.
Bei den Getränkedosen sei das ja bereits der Fall, sagte der deutsche Mehrwegspezialist Markus Grumann. Die Dosen seien identisch und unterschieden sich nur durch den Aufdruck. «Und das funktioniert.» Wie wichtig standardisierte Flaschen sind, zeigt das deutsche Mehrwegsystem anschaulich. 900 unterschiedliche Mehrwegflaschen sind auf dem Markt und 3000 verschiedene Mehrwegharassen. Das mache die Logistik komplex und teuer, sagte Grumann.
Weniger C02 dank leichteren Flaschen
Glasflaschen sind schwer, das verschlechtert ihre Ökobilanz beim Transport verglichen mit Getränkedosen. Und sie können zerbrechen. Eine Lösung sind neue Flaschen, zum Beispiel die erste Mehrwegflasche aus thermisch gehärtetem Leichtglas. Glashersteller Vetropack hatte die sogenannte Echovai-Flasche vor gut einem Jahr in einem Pilotprojekt mit der Vorarlberger Mohrenbrauerei lanciert. Die 0,33-Literflasche ist mit 210 Gramm nicht nur rund ein Drittel leichter als herkömmliche Glasflaschen, sie ist auch stabiler und resistenter gegen Abrieb. Die Leichtglasflaschen sind ausserdem weniger hoch und lassen sich so sechs-, statt wie bisher fünffach auf einer Palette stapeln. Das senke die CO2-Emissionen beim Transport pro Flasche um ein Viertel, sagte Erich Jaquemar von Vetropack Österreich. Nach dem Pilotversuch bei Mohrenbräu wird die Flasche nun in ganz Österreich ausgerollt.
Verschiedene Glashersteller arbeiten daran, über aufgedruckte oder eingebrannte Codes die Flaschen über ihren ganzen Lebenszyklus hinweg rückverfolgbar zu machen. Was war vorher in der Flasche drin? Diese Frage sei etwa für Kosher- oder Halal-Zertifizierungen zentral, sagte Mehrwegexperte Markus Grumann.
Eingeschlagen «wie eine Milchbombe»
Verglichen mit Deutschland oder Österreich fristet die Mehrwegglasflasche in der Schweiz ein Nischendasein. Für Aufsehen sorgte letzten November Coop. Zusammen mit Emmi lancierte die Detailhändlerin eine Bio-Vollmilch in der Mehrwegglasflasche (
foodaktuell berichtete). «Wir waren absolute Neulinge. Das Konzept gab es so in der Frische noch nicht», beschrieb Sara Hesseling, bei Emmi zuständig für die Eigenmarken für den Detailhandel, die Herausforderung an der Tagung. Man habe am Anfang nicht gewusst, ob die Kundinnen und Kunden das Konzept überhaupt verstünden. Doch die Mehrwegglasflasche habe eingeschlagen wie eine «Milchbombe». Bislang war die Mehrwegflasche in 100 Coop-Supermärkten in der Region Nordwestschweiz-Zentralschweiz-Zürich erhältlich. Ab Oktober wird sie laut Hesseling nun in weiteren Regionen lanciert.